Ab 1. Jänner 2017 bringt die Erbrechtsnovelle zahlreiche Veränderungen und Modernisierungen für das heimische Erbrecht wie zum Beispiel die automatische Aufhebung von Testamenten bei einer Scheidung. Überblick über die wichtigsten Neuerungen und Tipps zum Thema Erben:

1. Sobald man eine Familie gründet oder Eigentum – wie z. B. Immobilien oder Unternehmensbeteiligungen – erwirbt, ist die Erstellung eines Testaments jedenfalls sinnvoll.

2. Sobald Vermögen (Eigentumswohnung, Haus) vorhanden ist, sollten vor allem Lebensgefährten unbedingt ein Testament errichten.

3. Ein fremdhändiges (also nicht handschriftlich verfasstes) Testament sollte nur vor einem Rechtsanwalt oder Notar gemacht werden, aufgrund der komplexen Formvorschriften sind Fehler sonst kaum vermeidbar.

4. Einmal erstellt ist ein Testament bis zum Tode gültig.
Empfehlenswert ist eine Überprüfung auf Aktualität in regelmäßigen Intervallen von etwa 5 Jahren

5. Sind mehrere Testamente eines Erblassers vorhanden, so gilt das jüngste.

6. Sollten Sie Ihren Alterswohnsitz im EU-Ausland haben, empfiehlt es sich, mit Ihrem Anwalt über die Vor- und Nachteile des national geltenden Rechts zu sprechen.

7. Das Testament muss sicher verwahrt werden, damit es im Fall des Falles auch gefunden werden kann. Ihr Anwalt sorgt für eine sichere Verwahrung und Erfassung im Testamentsregister. Der Inhalt des Testamentes bleibt trotzdem vertraulich.

8. Sind die Eltern des Verstorbenen bereits vorverstorben und entstammen der Ehe keine Kinder, erbt ohne Testament der überlebende Ehegatte das gesamte Vermögen. Dadurch können wertvolle Erbstücke auf die Schwiegerfamilie übergehen.

9. Bereits die Einbringung einer Scheidungsklage macht ein bestehendes Testament zugunsten eines Ehegatten ungültig.

10. Ab 1.1.2017 haben Pflichtteilsberechtigte einen Auskunftsanspruch betreffend frühere Schenkungen des Verstorbenen.

Kosten
Eine Testamentserstellung für eine Privatperson kostet bei einem Rechtsanwalt ab 250 Euro – je nach Komplexität der Eigentums- und Familienverhältnisse – in umfassenden Fällen aber auch mehr. Die Rechtsanwaltskammer bietet im Rahmen der Erbrechtsnovelle einen „Erbrechts-Check“ an. In diesem anwaltlichen Beratungsgespräch bekommt man Klarheit und zielgerichtete Antworten auf persönliche Fragen. Der Erbrechts-Check kostet 120 Euro. Anwälte, die diesen Check in Ihrer Region anbieten, finden Sie hier: http://www.rechtsanwaelte.at/buergerservice/servicecorner/beratungspakete/erbrecht/

Die Rechtsanwaltskammer Niederösterreich warnt vor mehr Erbrechtsstreitigkeiten in der Übergangsphase
Die Erbrechtsnovelle bringt ab 1. Jänner 2017 die größten Neuerungen im heimischen Erbrecht seit über 200 Jahren. Probleme in der Übergangsphase sind vorprogrammiert. Die Rechtsanwaltskammer Niederösterreich rechnet aufgrund der Erbrechtsnovelle mit einem Ansturm zu Testamentsüberprüfungen und vermehrten Erbstreitigkeiten.

Mit einer österreichweiten Umfrage erhob die Rechtsanwaltskammer Niederösterreich das Wissen der Bevölkerung und der heimischen Unternehmer zum Thema Erben. Die wichtigsten Ergebnisse:
• Nur 13% der Österreicher besitzen ein Testament – damit sind wir im internationalen Vergleich hinter Deutschland mit 20% und dem Vereinigten Königreich mit circa 30 %.
• 68% der Österreicher empfinden es als wichtig, über das Thema Erben zu sprechen.
• 76% der heimischen Unternehmer haben sich noch keine Gedanken zur Firmennachfolge gemacht.
• Jeder Vierte hatte bereits Streit zum Thema „Erben“.

Mit 1. Jänner 2017 treten viele Neuerungen und Modernisierungen im heimischen Erbrecht in Kraft, welche die größte Erbrechtsnovelle seit über 200 Jahren darstellen. Erben und Vererben kann zu Familienstreitigkeiten und Ärgernis führen. „An die 1000 Fälle von Erbstreitigkeiten beschäftigen die niederösterreichischen Anwälte im Jahr. Wir gehen davon aus, dass die Dunkelziffer, bei der kein Anwalt eingeschaltet wird, weitaus höher ist und wird weiter zunehmen“, so Dr. Michael Schwarz, Präsident der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich.

Neue Pflichtteilsregelung hat Konfliktpotential
Die bedeutendsten Änderungen ab 1. Jänner sind die Neuverteilung der Pflichtteilsberechtigten, neue Enterbungsgründe, wie z. B. gröbliche Vernachlässigung und eine Aktualisierung des Pflegevermächtnisses. Die Modernisierung im Bereich der pflichtteilsberechtigten Personen bringt seitens der Anwälte auch einige Kritikpunkte mit sich. So sind die Eltern und Geschwister des Verstorbenen nicht mehr pflichtteilsberechtigt – lediglich Kinder und Ehepartner oder eingetragene Partner habe Anspruch auf den Pflichtteil. „Das kann in Zukunft dazu führen, dass der Familienbesitz bei Todesfall an die angeheiratete Familie übergeht. Das bringt großes Streitpotential mit sich,“ so Schwarz.

Neu ist auch, dass die Auszahlung des Pflichtteils erstmals auf maximal fünf Jahre gestundet werden kann – allerdings mit vier Prozent Zinsen. So könnte zukünftig die Zerschlagung von Familienbetrieben vermieden werden.

Mit 1.1.2017 tritt ebenfalls ein außerordentliches Erbrecht für kinderlose Lebensgefährten, die mit dem Verstorbenen für mindestens drei Jahre einen gemeinsamen Wohnsitz geteilt haben, in Kraft, sowie die automatische Aufhebung von Testamenten durch das Einbringen einer Scheidungsklage.

Zusätzlich werden neuen Formvorschriften für fremdhändige Testamenten eingeführt. So ist ein letzter Wille nur gültig, wenn mit handschriftlichem Zusatz wie z. B. „das ist mein letzter Wille“ unterschrieben wird. Zudem müssen drei Zeugen nun ununterbrochen und gleichzeitig anwesend sein, um die Gültigkeit des Testaments zu bestätigen.

„Die Erbrechtsnovelle bringt eine gewünschte Modernisierung des Erbrechtsgesetzes, die jedoch nicht ganz ohne Kritikpunkte ist. Vor allem die Änderungen bei den Pflichtteilsberechtigten kann in Zukunft für viele Erbstreitigkeiten in Familien sorgen. Um dem vorzubeugen empfehlen wir eine rasche Überprüfung auf die Neuerungen der Erbrechtsnovelle, wenn bereits ein Testament vorhanden ist. So können Überraschungen vermieden werden“, stellt Dr. Christoph Sauer, Unternehmensrechtsexperte und Mitglied des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich fest.

Österreicher sind Testamentsverweigerer
Knapp die Hälfte (47%) der Befragten hat sich noch keine Gedanken über ein Testament gemacht, bei den über 50-jährigen hat jeder Dritte noch keinen letzten Willen. Nur13 % der Österreicherinnen und Österreicher besitzen bereits eine letztwillige Verfügung. Im EU-Vergleich ist das weit unter dem Durchschnitt – in Deutschland haben in etwas 20 % ein Testament, im Vereinigten Königreich sogar circa 30%. „Hier haben wir in Österreich dringenden Nachholbedarf. Mit einem Testament lassen sich Erbstreitigkeiten reduzieren,“ stellt Dr. Michael Schwarz, Präsident der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich fest. Denn bereits jeder Vierte (24%) hatte in Österreicher schon Streit, wenn es ums Thema „Erben“ ging.

Erben und Vererben ist kein Tabuthema mehr, 68% der Bevölkerung empfinden es als wichtig, darüber zu sprechen. 42% informieren ihre Kinder und potentielle Erben über den Inhalt des Testamentes. Bei Fragen zu Testament und Erben bevorzugen 54% der Befragten das Internet als Informationsquelle, erst danach kommen Notare mit 44% und Anwälte mit 40%.

„Die Zahl der Testamente ist in Österreich vermutlich so gering, da der Staat mit gesetzlichen Regelungen vorgesorgt hat. Jedoch gibt erst die Erstellung eines Testaments die nötige Sicherheit und Vorsorge. Ab 250 Euro kann man bereits sein persönliches Testament erstellen und registrieren lassen.“, so Mag. Rainer Samek, Erbrechtsexperte und Mitglied des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich.

Fehlende Nachfolgeregelung führt zur Bedrohung des Wirtschaftsstandorts Österreich
Im Rahmen der Studie wurden ebenfalls 300 Unternehmerinnen und Unternehmer in Österreich befragt. Dreiviertel (76%) der heimischen Unternehmerinnen und Unternehmer haben sich noch keine Gedanken zur Firmennachfolge gemacht. Vor allem die ältere Generation der 50 bis 70-Jährigen zeigt kein Interesse – hier hat jeder Zweite (53%) derzeit kein Interesse daran die Firmennachfolge zu regeln. Die fehlende Nachfolgeregelung stellt den Wirtschaftsstandort Österreich vor große Herausforderungen. In der Praxis ist derzeit der Unternehmenskonkurs durch fehlende Vorsorge der Eigentümer, vor allem in der Gastronomie- und Tourismusbranche, ein Problem. Auch haben sich die größte Mehrheit (82 %) der Unternehmerinnen und Unternehmer noch nicht mit den Vorteilen der Erbrechtsnovelle auseinandergesetzt – und das ganz unabhängig von der Größe des Unternehmens.

22. November 2016, Autor: Rechtsanwaltskammer Niederösterreich, www.raknoe.at