Wie das funktioniert und was es zu beachten gilt.

Immer mehr Unternehmen in Deutschland erwägen, die Impfung ihrer Belegschaft gegen COVID-19 selbst in die Hand zu nehmen und freiwillige Impfungen in ihren Betrieben anzubieten. (Bild: pixabay.com)

Auch wenn die bundesweite Impfkampagne mittlerweile Fahrt aufgenommen hat, sprechen viele Gründe für solche Initiativen: Sie sind Ausdruck von Wertschätzung gegenüber den eigenen Mitarbeitern, vermeiden Abwesenheitszeiten wegen Krankheit oder Quarantäne und erhöhen perspektivisch die Arbeitsfähigkeit der Belegschaft. Die schon weit verbreiteten betrieblichen Grippeschutzimpfungen bestätigen dies.

Bislang gibt es erst vereinzelt Modellprojekte von Unternehmen, bei denen Betriebsärzte gewissermaßen als „verlängerter Arm“ der von den Ländern betriebenen COVID-19-Impfzentren und in enger Abstimmung mit den Behörden staatlich beschafften Impfstoff nutzen. Zugleich bilden sich aber auch Märkte für eine private Impfstoffbeschaffung und für eine Organisation von “Impfstraßen“ jenseits staatlicher Planung. Vor allem bei letzterer Vorgehensweise bestehen regulatorische Unklarheiten. Unternehmen müssen ihre Planungen und die Auswahl ihrer Vertragspartner daher besonders sorgfältig vornehmen und schon bei einem Letter of Intent, spätestens aber bei der Vertragsgestaltung vielschichtige rechtliche Fragestellungen bedenken. Einige der wichtigsten sollen im Folgenden überblicksartig skizziert werden.

Beschaffung des Impfstoffs

Direkte private Beschaffung zulässig?
Grundlegend stellt sich für Unternehmen die Frage, wie eng die betriebliche Impfung an die staatliche Impfkampagne angelehnt werden soll. Hier gilt: Je enger die Anlehnung, desto sicherer ist das rechtliche Terrain, auf dem sich die betriebliche Impfung bewegt. Zwar findet sich im deutschen Recht kein ausdrückliches Verbot für die private Beschaffung von COVID-19-Impfstoff. Die Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Impfverordnung, CoronaImpfV) und andere Rechtsquellen zur Thematik sehen eine private Beschaffung aber schlicht nicht vor. Dementsprechend treffen sie zu Fragen wie der Verteilung von privat beschafftem Impfstoff oder der Abrechnung entsprechender ärztlicher Leistungen keine Regelungen. Der gesetzliche Regelfall ist also eine staatlich gesteuerte Beschaffung und Verteilung über das etablierte System des Arzneimittelgroßhandels und der Apotheken.

Darf ein Unternehmen in Deutschland nun überhaupt jenseits dieses Weges eigenmächtig Impfstoff für seine Belegschaft beschaffen? Zweifel daran ergeben sich aus dem Umstand, dass die CoronaImpfV unter anderem auf der Grundlage von § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 lit. f des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) erlassen wurde. Diese Norm erlaubt es dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG), bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite insbesondere Maßnahmen zur Sicherstellung der Versorgung mit Impfstoffen, Regelungen zum Vertrieb, zur Abgabe, und Preisbildung sowie – bei Impfstoffknappheit – zur Priorisierung der Nutzung des Impfstoffs zu treffen. Daraus könnte man den Schluss ziehen, dass die CoronaImpfV die Versorgung mit COVID-19-Impfstoffen ausschließlich in die Hand des BMG legt und einer Beschaffung und Abgabe durch Private entgegensteht. Gegen eine solche Auslegung spricht aber, dass sich ein solches staatliches Monopson nicht aus dem Wortlaut der CoronaImpfV ergibt, was nach dem allgemeinen Bestimmtheitsgrundsatz jedoch erforderlich wäre. Auch wenn eine private Impfstoffbeschaffung demnach zulässig sein dürfte, bleibt es grundsätzlich möglich, dass Behörden auf der Grundlage des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts Impfstoffe beschlagnahmen. Angesichts der sich gegenwärtig entspannenden Versorgung mit Impfstoffen erscheint dieses Risiko mittlerweile aber eher theoretisch.

Praktisch bedeutsam dürften auch Überlegungen zu Reputationsschäden sein. So sollte regelmäßig bereits der bloße Anschein vermieden werden, dass die private Impfstoffbeschaffung gewissermaßen in Konkurrenz zur staatlichen Nachfrage erfolgt, indem beispielsweise Hersteller versucht sein könnten, der öffentlichen Hand bereits zugesagte Kontingente zugunsten der Privatwirtschaft zu verringern. Im Sinne einer umfassenden Corporate Governance (Stichwort: ESG) sollte insofern auch eine Verantwortung gegenüber den Impfkampagnen von Entwicklungsländern berücksichtigt werden.

Ein weiteres Argument für eine Beschaffung über das staatlich gesteuerte System ist das Haftungsprivileg nach § 3 Abs. 4 S. 1 der Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung (MedBVSV). Pharmazeutische Unternehmer, Hersteller und Angehörige von Gesundheitsberufen haben hiernach grundsätzlich nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn der Impfstoff und das Impfzubehör durch das BMG in Verkehr gebracht wurden (zur Haftung des Arbeitgebers s.u.).

Allgemeine Anforderungen an die Beschaffung
Die Beschaffung und Abgabe von Impfstoffen sind auch jenseits der speziellen COVID-19-Vorschriften in hohem Maße reguliert und unterfallen insbesondere den Vorgaben des Arzneimittelgesetzes (AMG). Gerade bei Anbietern außerhalb der EU und bei solchen, die noch nicht auf dem Gesundheitssektor etabliert sind, sollten die wesentlichen regulatorischen Verantwortlichkeiten daher frühzeitig geklärt werden. Nach dem AMG ist diejenige Partei gegenüber den Behörden verantwortlich und muss bspw. Erlaubnisse für den Großhandel mit Arzneimitteln nach § 52a AMG oder für deren Einfuhr nach § 72 AMG einholen, die die jeweiligen Handlungen auch tatsächlich vornimmt. Das AMG verlangt hier eine besondere Sachkenntnis und eine spezielle Organisation des Unternehmens im Umgang mit Arzneimitteln. Verantwortlichkeiten lassen sich also nicht flexibel einzelnen Vertragsparteien zuweisen. Vielmehr ist schon bei der Angebotseinholung sicherzustellen, dass Anbieter alle notwendigen „regulatorischen Bausteine“ mitbringen. Unternehmen sollten von Anbietern daher noch vor der Aufnahme detaillierter Vertragsverhandlungen die Vorlage eines entsprechenden schlüssigen Konzepts verlangen. Vertraglich können die Parteien dann Mitteilungs- und Zustimmungspflichten bei Abweichungen von diesem Konzept vorsehen.

Dass in der Regel nur Arzneimittel beschafft werden sollten, die in der EU zugelassen sind, versteht sich von selbst. Neben der generellen Zulassung sind bei der Vertragsgestaltung aber auch die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) für die konkrete Verwendung zu beachten. Der Anbieter sollte nach Möglichkeit zu einer Beschaffung eines zur Impfung von Personen von 16-65 Jahren in Deutschland zugelassenen und nach den Empfehlungen der STIKO für diese Altersgruppe geeigneten Impfstoffs verpflichtet werden.

Zwischenfazit
Zusammenfassend sollte eine Beschaffung von Impfstoffen unabhängig von der Vorgehensweise eng und frühzeitig mit den jeweiligen obersten Landesgesundheitsbehörden oder dem BMG abgestimmt werden. Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Fallstricke empfiehlt es sich, den Bezug des Impfstoffs über das staatlich gesteuerte System nach der CoronaImpfV in Betracht zu ziehen, auch wenn dies eine gewisse Abhängigkeit von der staatlichen Zuteilung bedeutet. Zentral wird hier regelmäßig der Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages sein, in dem auch die Verantwortlichkeiten Dritter wie etwa des Deutschen Roten Kreuzes als Partner für die Planung und Durchführung geregelt werden können. Bei Bezug des Impfstoffs aus dem Kontingent eines Bundeslandes sollte bei Bedarf auch die Frage geklärt werden, inwieweit der Impfstoff „an der Landesgrenze halt machen muss“, ob der Impfstoff also beispielsweise auch in einer Außenstelle des Unternehmens in einem anderen Bundesland genutzt werden darf.

Durchführung der Impfungen
Die CoronaImpfV sieht nach § 6 Abs. 1 S. 1 neben Impfzentren und angegliederten „mobilen Impfteams“ derzeit nur Impfungen durch solche Betriebsärzte und Arztpraxen vor, die zum einen „beauftragt“ sind und zum anderen als an ein bestimmtes Impfzentrum angegliedert gelten. Der Begriff des Als-angegliedert-Geltens ist in der CoronaImpfV nicht definiert. Er dürfte jedoch nicht räumlich zu verstehen und schon bei einer vertraglich unterlegten Koordination mit den Landesbehörden erfüllt sein. Der Begriff der Beauftragung ist dagegen leichter zu handhaben. Er ist bereits dann erfüllt, wenn der Impfstoff vom Bund oder einem Land zur Verfügung gestellt wird.

Für betriebliche Impfungen ist damit klar, dass der Betriebsarzt „Schirmherr“ der Impfungen sein muss. Welche konkreten Aufgaben und Pflichten damit für den Betriebsarzt einhergehen, spezifiziert bislang aber weder die CoronaImpfV noch liegen diesbezüglich öffentlich bekanntgemachte landesrechtliche Regelungen vor. Im Zweifel ist daher von einer umfassenden Verantwortlichkeit des Betriebsarztes auszugehen.

Auch wenn große Unternehmen in der Regel über angestellte Betriebsärzte verfügen, werden diese häufig personell kaum so ausgestattet sein, um die Mitarbeiter von Betriebsstätten mit mehreren tausend oder sogar zehntausend Mitarbeitern in kurzer Zeit vollständig zu impfen. In welchem Umfang der Einsatz von Dienstleistern unter der Leitung von Betriebsärzten möglich ist, die nicht nur die Logistik (Aufbau von Impfstraßen) übernehmen, sondern auch selbst durch medizinisches und ärztliches Personal Impfungen durchführen können, ist derzeit unklar und sollte mit den zuständigen Behörden abgestimmt werden. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob neben den allgemeinen Grundsätzen zur Delegation ärztlicher Aufgaben auf nichtärztliches Personal weitere Anforderungen zu berücksichtigen sind, um nicht den Status als „an ein Impfzentrum angegliedert“ und „beauftragt“ zu verlieren. Gegen die Annahme weitergehender Anforderungen spricht aber der Grund für die Einbindung der Betriebsärzte in die Leistungserbringung nach § 6 Abs. 1 CoronaImpfV. Dieser besteht nicht in ihrer besonderen Fachkenntnis bei Impfungen, sondern in der Möglichkeit, auf diesem Wege besonders schnell viele Menschen zu impfen. Für die Erreichung dieses Ziels erscheint der Einsatz von medizinischen Dienstleistern im Rahmen der betriebsärztlichen Tätigkeit vielmehr geboten.

Soll ein im Unternehmen etablierter Anbieter betriebsärztlicher Dienste mit einem weiteren Anbieter zusammenwirken, ist im Interesse einer klaren Abgrenzung der Verantwortlichkeiten außerdem auf eine vertragliche Regelung auch zwischen diesen Parteien hinzuwirken. Das nachfragende Unternehmen sollte in diesem Dreiecksverhältnis vor allem auf ein Ineinandergreifen der Aufgabenfelder und Weisungsverhältnisse achten – so beispielsweise im Hinblick auf die Verantwortlichkeit für die fachgerechte Lagerung und Abgabe des Impfstoffes.

Eine weitere praktische Hürde sind die in der CoronaImpfV festgelegten Priorisierungen. Derzeit sind, je nach Bundesland, in der Regel nur Menschen der Priorisierungsgruppen 1-3 impfberechtigt, wovon ein substantieller Teil der Belegschaften der meisten Unternehmen nicht erfasst sein dürfte. Auch wenn die Priorisierung nach der CoronaImpfV bei einem engen Verständnis nur für solche Impfungen gilt, die innerhalb des „Korsetts“ dieser Verordnung stattfinden, dürfte der hinter der Priorisierung stehende Gedanke des Schutzes besonders vulnerabler Gruppen schon aus Gründen des ärztlichen Berufsrechts, aber auch der allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zumindest im Ansatz ebenso bei sonstigen Impfungen zu beachten sein. Aus betrieblicher Sicht sinnvolle und deshalb gewünschte Abweichungen von dieser Reihenfolge (z.B. Impfung der Mitarbeiter mit Kundenkontakt vor denen im Home-Office) sollten daher sorgfältig abgewogen werden, nicht zuletzt wegen eines möglichen Reputationsrisikos. Wegen des anziehenden Tempos der staatlichen Impfkampagne werden die Priorisierungen Schätzungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zufolge allerdings ohnehin schon im Mai erheblich an Bedeutung verlieren.

Die Ausgestaltung der Durchführung der Impfungen ist auch für Fragen der Haftung von großer Bedeutung. Dem Interesse des beauftragenden Unternehmens wird es regelmäßig entsprechen, dass kein Behandlungsvertrag zwischen dem Unternehmen und den Arbeitnehmern zustande kommt. Vertragliche Bestimmungen sowohl mit neu hinzugetretenen Anbietern wie mit etablierten betriebsärztlichen Dienstleistern sollten daher die Maßgaben des Bundesarbeitsgerichts widerspiegeln, nach denen eine Arbeitgeberhaftung für betriebliche Impfungen ausgeschlossen ist. Hierzu gehört vor allem, dass die Einladung zu den Impfungen erkennbar nicht durch das Unternehmen, sondern seitens der Betriebsärzte ausgesprochen werden muss. Aus diesem Grunde kann es sich auch anbieten, weitere organisatorische Maßnahmen wie die Übersendung von Informationsmaterialien für die Impfung oder die Terminvereinbarung durch den betriebsärztlichen Dienstleister und den ggf. mit diesem zusammenarbeitenden logistischen Dienstleister vornehmen zu lassen.

Auch bei einer Impfofferte durch den Arbeitgeber bleibt es dabei, dass es sich um ein freiwilliges Angebot handelt. Eine gesetzliche Impfpflicht besteht im Hinblick auf COVID-19 nicht und kann in Deutschland im Regelfall auch nicht arbeitsrechtlich über das Direktionsrecht des Arbeitgebers begründet werden. Dies wird lediglich für Tätigkeiten, die der höchsten Prioritätsstufe in der CoronaImpfV zuzurechnen sind (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 ff. CoronaImpfV) diskutiert. Klarstellende Rechtsprechung zu dieser Frage steht allerdings noch aus.

Fazit
Betriebliche Impfungen stellen Unternehmen nicht nur vor organisatorische, sondern auch vor vielschichtige rechtliche Herausforderungen. Damit Initiativen auch tatsächlich zu mehr „Tempo beim Impfen“ führen und nicht durch langwierige Vertragsverhandlungen ins Stocken geraten, sollten sich Unternehmen von Beginn an um eine klare Rollenverteilung bemühen und sich mit Behörden und Anbietern auf Details zur Beachtung regulatorischer Vorgaben verständigen. Sollen daneben bereits im Unternehmen etablierte betriebsärztliche Dienstleister Aufgaben übernehmen, ist frühzeitig auf die Aufnahme von Vertragsverhandlungen auch zwischen beiden Anbietern hinzuwirken. Dabei ist auf einen Gleichlauf der Verantwortlichkeiten im vertraglichen „Dreiecksverhältnis“ zu achten. Neben Regelungen zum organisatorischen Ablauf, zu Weisungsbefugnissen und zum Datenschutz sollten insbesondere die Maßgaben der Rechtsprechung für einen Ausschluss von Behandlungsverträgen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Beachtung finden.

22.4.2021 / Autoren: Dr. Julia Förster und Dr. Nicolas Sölter / Freshfields Bruckhaus Deringer Rechtsanwälte PartG mbB / www.freshfields.com