Auch wenn so manche allzu stolze Wachstumszahl von offizieller Seite geschönt sein sollte: Um Chinas Wirtschaft braucht man sich keine Sorgen zu machen.

Verlierer sehen anders aus: In den ersten neun Monaten 2017 ist die chinesische Wirtschaft um 6,9 % gewachsen – noch um etwas mehr als die durchaus optimistische Prognose von 6,6 % für das Gesamtjahr. Dabei profitierte das bevölkerungsreichste Land der Erde von Infrastrukturprojekten, dem stabilen Immobilienmarkt, höheren Absatzpreisen und steigenden Exporten.

Chinas Glücksdrache (Foto: Manfred Schütze / pixelio.de)

Dazu kommt, dass Staatschef Xi Jinping beim 19. Parteikongress im Oktober seine interne Machtposition nochmals deutlich stärken konnte. Michael Lai, Fondsmanager bei GAM, glaubt daher, dass man sich wie auch in den vergangenen Jahren auf Reformen in den Bereichen Unternehmen, Umwelt und Investmentmarkt fokussieren wird. Die Aussichten für das Wirtschaftswachstum hält Lai daher nach wie vor für positiv. So habe die Regierung im August in einer vielbeachteten Umstrukturierung die Eigentümerstruktur der bislang staatlichen Firma Unicom verändert, indem sie Aktien an namhafte Gesellschaften der Privatwirtschaft wie Tencent, Baidu, JD.com und Alibaba verkaufte.

Weiter wachsen!
Die Reformen der Regierung gehen aber noch weiter. „Es gibt verschiedene Initiativen wie Umstrukturierungen auf der Angebotsseite, um Ressourcen auf produktivere Bereiche umzuverteilen oder Maßnahmen, um Gesundheit und Stabilität des Finanzsektors wieder herzustellen“, sagt Lai. „Auch die Bekämpfung der Umweltverschmutzung ist ein Thema. In Bezug auf die Auswirkung der Reformen auf den Investmentmarkt sind wir davon überzeugt, dass die Bewertung chinesischer Aktien nach und nach neu vorgenommen wird, da die Regierung ihren Wunsch untermauert hat, langfristig höhere Effizienz zu erzielen.“ Als Wachstumsbeschleuniger Chinas würden u.a. das hohe Investitionsniveau für den Wohnungsbau sowie die Aufrechterhaltung der Infrastruktur durch eine höhere Schuldenaufnahme gelten. „Die Regierung strebt insbesondere ein exponentielles Wachstum in Hightech-Bereichen wie Robotertechnik, künstlicher Intelligenz, Elektroautos und anderen, neuen und sauberen Energiezweigen an“, so der Experte.

Auch Österreich ist in China mit zahlreichen renommierten Unternehmen ebenso wie mit aufstrebenden Start-Ups vertreten. Für unsere Landsleute gilt es jedoch, in manchen Bereichen etwas anders zu agieren als die Chinesen selbst. So legt Stefan Doboczky, CEO des derzeit höchst erfolgreichen börsennotierten High-Tech-Unternehmens Lenzing, besonderen Wert darauf, „dass wird derzeit noch nicht unsere aktuellste Technologie in China einsetzen wollen“. Denn: „Dort können wir unser Industrie-Know-how nicht so schützen, wie es notwendig ist. Jedes Mal, wenn du mit den Behörden sprichst, ist die Gefahr hoch, dass Know-how verloren geht. Ich bin aber überzeugt, dass wir in Zukunft auch in China in Tencel- und Modaltechnologie investieren müssen.“

In einem anderern Bereich gibt der Lenzing-Chef Fondsmanager Michael Lai absolut recht: „Unter Xi Jinping hat vor allem in den letzten zwei Jahren der Fokus auf Umweltschutz deutlich zugenommen hat.“

Innovationsmotor
Das Land des roten Drachen müsse vor allem die Produktivität anheizen, um das Wachstum der Mittelklasse zu fördern, fordert Emil Wolter, Portfoliomanager Emerging Markets bei Comgest, einem unabhängigen internationalen Fondsverwalter in Qualitätswachstumsaktien. „Immerhin hat sich der Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung am BIP in China in den letzten zwei Jahrzehnten vervierfacht.“ Das Land hat in jüngster Zeit eine Rekordzahl an STEM-Absolventen (Science, Technology, Engineering, Mathematics) hervorgebracht und verfügt dadurch über ein großes Angebot an günstigen F&E-Talenten. Dadurch sind bereits viele dynamische IT-Firmen sowie eine Vielzahl von Innovationen im Industrie- und Konsumsektor entstanden.

„Die Kommunistische Partei muss alles tun, um diesen Innovationsmotor am Laufen zu halten“, liefert Wolter einen konkreten Anlagetipp: „Hier ergeben sich dann auch attraktive Stock-Picking-Potenziale wie Hangzhou Hikvision, den Weltmarktführer für Videoüberwachungsanlagen.“

4.11.2017, Autor: Paul Christian Jezek / paul.jezek@lex-press.at