Die zunehmende Digitalisierung und Automatisierung macht auch vor Österreich nicht halt – es gilt, sich dringend für die Zukunft zu rüsten.

Technologie und Industrie 4.0: Rüsten für die Zukunft mit mehr Investitionen in Forschung & Entwicklung (Foto: pixabay.com)

Die industrielle Produktion befindet sich derzeit weltweit in einem Transformationsprozess. Mehr als 70 Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Arbeitnehmerseite haben deshalb in der Arbeitsgruppe „Forschung, Entwicklung & Innovation“ der Plattform Industrie 4.0 Österreich eine Technologie-Roadmap mit acht ineinandergreifenden Forschungsfeldern erarbeitet, die für die Technologieentwicklung in Österreich zukünftig zentral sein werden.

Es geht um etliche Milliarden
Experten prognostizieren, dass durch Industrie 4.0 Produktinnovationen, neue Geschäftsmodelle, Qualitätsverbesserungen, verbesserte Produktivität und Ressourceneffizienz angestoßen werden. Angesichts dieser Chancenvielfalt geht man von einer Reindustrialisierung der heimischen Industrie aus – laut Schätzungen sollen dadurch bis 2025 47 bis 48 Mrd. € an zusätzlicher Produktion und 22 bis 38 Mrd. € an zusätzlicher Wertschöpfung hierzulande entstehen.

Aktuell haben bereits sechs Prozent der heimischen Industrieunternehmen ihre Produktion in die Alpenrepublik zurückgeholt – Tendenz steigend. Diese Entwicklung wird auch positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben: Prognosen schätzen, dass durch Industrie 4.0 in Deutschland die Beschäftigtenanzahl in der Industrie um rund 350.000 steigen wird – umgelegt auf Österreich, kann man deshalb von einem Zuwachs von rund 35.000 Arbeitskräften ausgehen.

Kurt Hofstädter, Vorstandsvorsitzender der Plattform Industrie 4.0 Österreich & Leiter Siemens Digital Factory CEE (Foto: Plattform Industrie 4.0)

„Wir wollen die Digitalisierung fest in den Köpfen verankern – denn durch die dabei entstehenden Chancen, ob nun globaler Wettbewerb, neue Geschäftsmodelle oder Innovationsfähigkeit, können sich österreichische Unternehmen weiterentwickeln oder sogar neu erfinden“, sagt Kurt Hofstädter, Vorstandsvorsitzender der Plattform Industrie 4.0 Österreich & Leiter Siemens Digital Factory CEE.

Mehr F&E-Investitionen
Damit Unternehmen auch verstärkt in Forschung investieren, müssen die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Laut Statistik Austria sollen die Ausgaben für Forschung 2018 auf fast 3,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts oder mehr als 12 Mrd. € steigen – damit hat Österreich eine gute Ausgangsposition.

Haupttreiber für Forschung und Entwicklung sind Unternehmen, die für fast zwei Drittel der Forschungsausgaben verantwortlich zeichnen – die öffentliche Hand trägt rund ein Drittel dazu bei. Deshalb ist es wichtig, die rechtlichen und administrativen Rahmenbedingungen zu verbessern sowie den Wissenstransfer aus der Forschung in die Anwendung zu forcieren. „Das Programm ‚Produktion der Zukunft‘ ist das beste Beispiel dafür, welcher Förderbedarf in Österreich besteht – so musste zB 2016 knapp die Hälfte der eingereichten Industrie 4.0-Projekte aus budgetären Gründen abgelehnt werden, was auf hohen Forschungsbedarf schließen lässt“, meint Isabella Meran-Waldstein, Plattform Industrie 4.0 Österreich-Vorstandsmitglied & Bereichsleiterin „Forschung, Technologie & Innovation“ bei der Industriellenvereinigung.

Zentrale Forschungsfelder
„Die von uns identifizierten Forschungsfelder kann man wie eine erfolgreiche Fußballmannschaft sehen – jeder Einzelne hat eine wichtige Rolle, doch zum Meistertitel führt nur ein abgestimmtes Zusammenspiel“, erklärt Stefan Rohringer, Arbeitsgruppenleiter „Forschung, Entwicklung & Innovation“ der Plattform Industrie 4.0 Österreich und Leiter des Development Centers Graz der Infineon Technologies Austria AG.

Konkret handelt es sich um folgende Forschungsfelder:
• Virtualisierung: Präzise digitale Abbildungen – Stichwort digitaler Zwilling – bilden die Voraussetzung für Industrie 4.0. Hier muss daran gearbeitet werden, bereits vor der Produktion anhand eines Modells Produkteigenschaften und Produktionsabläufe vorherzusagen, zu steuern und zu verfolgen.
• Sensorsysteme: Messsysteme liefern wichtige Informationen für die Produktion und gewinnen somit vor allem für die Qualitätskontrolle zunehmend an Bedeutung; Sensoren müssen deshalb intelligenter (Selbstdiagnose, vorausschauende Instandhaltung) und energieeffizienter werden.
• Software Engineering ist eine Industrie 4.0-Schlüsseltechnologie, ermöglicht sie doch die Verhaltenssteuerung und -kontrolle von Systemen. Die Software sollte in der Zukunft adaptiver werden, um sich den immer schneller wechselnden Anforderungen in der Produktion einfacher anzupassen.
• Physische Systeme: Smarte ¬Maschinen und Roboter werden zentral für die Produktion werden; durch additive Fertigung (3D-Druck) kann schneller und sicherer produziert werden. Auch neue Werkstoffe halten Einzug in die Produktion.
• Cyber-Physical-Systems sind das Industrie 4.0-Herzstück. Diese Maschinen sollten zukünftig mit Menschen interagieren und zusammenarbeiten, anstatt „nur“ Aufgaben zu erledigen. Dadurch werden neue intelligente Produktionssysteme geschaffen, die zB bei Wartungsbedarf gleich selbst den Techniker bestellen.
• Arbeits- und Assistenzsysteme: Mit Assistenzsystemen wie Augmented Reality wird die Benutzerschnittstelle zwischen Mensch und Maschine verbessert. Das wird auch Auswirkungen auf die Arbeitsorganisation und Kompetenzen haben – dafür muss noch Bewusstsein und Akzeptanz geschaffen werden.
• Wertschöpfungsnetzwerke und Geschäftsmodelle: Industrie 4.0 verändert die Wertschöpfung und Geschäftsmodelle – Produzenten werden zunehmend zu Serviceanbietern; datengetriebene und -basierte Modelle sind der Schlüssel dazu.
• Domänenwissen und Schlüsseltechnologien: Erfahrungs- und Prozesswissen der Mitarbeiter, gepaart mit neuen Technologien, kann praxisnahe Innovationen schaffen. Forschung, Entwicklung und Innovation in diesem Bereich sollte sich ua auf Qualifikation und Wissensmanagement wie auch auf EU-Schlüsseltechnologien wie Mikro- und Nanoelektronik oder Photonik fokussieren.

www.plattformindustrie40.at

23.9.2018, Autor: Paul Christian Jezek / paul.jezek@lex-press.at