Es kommt immer anders als prognostiziert, aber diesmal höchst positiv: Statt der ursprünglich vorhergesagten 1,8 Prozent soll die Bruttowertschöpfung in Tirol 2017 (Stand: Dezember) um 2,3 bis 2,5 Prozent zulegen. Der „Geschäftsklimawert“ als Mittelwert von Lage und Erwartung erreichte zuletzt mit 61 Prozentpunkten einen historischen Höhepunkt und steigt damit zum dritten Mal in Folge.

65 Prozent der befragten Tiroler Leitbetriebe melden aktuell eine gute Geschäftslage, nur zwei Prozent bewerten die ökonomische Situation ihres Unternehmens derzeit negativ. Jeder dritte Leitbetrieb geht davon aus, demnächst den Personalstand (weiter) zu erhöhen. Dadurch würde sich auch die Arbeitslosenquote stärker reduzieren als am Jahresbeginn angenommen und Tirol könnte zum ersten Mal seit fünf Jahren wieder eine Arbeitslosenquote von weniger als sechs Prozent erreichen.

Es brummt also ordentlich im „Heiligen Land“. Kein Wunder: Aufgrund des dynamischen Privatkonsums und starker Nachfrage aus dem Ausland haben die Tiroler Unternehmen genug zu tun. Während in ganz Österreich 2016 die Exporte stagnierten, hat Tirol um sehr beachtliche 7,7 Prozent zugelegt. Schon vor Jahren wurde die „Schallmauer“ von zehn Milliarden Euro überschritten – im Vorjahr haben die Tiroler Unternehmen mit einem Wachstum um 878 Millionen nicht weniger als 12,33 Milliarden Euro Exportvolumen erreicht. Pharmazeutische Produkte (z. B. Novartis/Sandoz in Kundl), Maschinen und mechanische Geräte (z. B. Felder Group in Hall), elektrotechnische Produkte, Glas(produkte) (z. B. Swarovski) und Holzwaren „made in Tirol“ sind jenseits der Grenzen besonders begehrt.

Die Liste jener Unternehmen, die mit Spezialisierung in internationalen Märkten erfolgreich auftreten, zeigt die Vielfalt der Möglichkeiten, in Tirol zu produzieren. So hat sich z.B. Sunkid auf Schneeteppiche spezialisiert, MED-EL zählt zu den führenden Herstellern von Hör-Implantaten (z.B. Cochlea), der Osttiroler Familienbetrieb Unterweger versorgt die internationale Industrie seit vier Generationen mit ätherischen Ölen, Achleitner und Empl liefern spezielle Fahrzeuge bzw. Fahrzeugwerke, MK Illumination gilt als Weltmarktführer für festliche Beleuchtung. „Das Erfolgsgeheimnis liegt sicher darin, dass die Mitarbeiter in Tirol die entsprechenden hochspezialisierten Ausbildungen haben und die Unternehmen mit ihrer Flexibilität punkten“, sagt dazu Außenhandelsexperte Gregor Leitner (WK Tirol Export). Wichtigster Handelspartner bleibt unangefochten Deutschland vor der Schweiz, Italien, Frankreich, USA, Großbritannien und China.

Wellness aus den Tiroler Bergen (Foto: Unterweger)

Tiroler Industrie treibt F&E-Quote
Die Tiroler Industrie trägt den Löwenanteil an der F&E-Quote von 3,14 Prozent des regionalen Inlandsproduktes. Die aktuell von Statistik Austria veröffentliche Österreich-Quote liegt bei 3 Prozent – im Bundesländervergleich liegt Tirol damit im oberen Mittelfeld. Insgesamt belaufen sich die privaten und öffentlichen Forschungsausgaben in Tirol auf 975 Millionen Euro.

Die Industrie trägt mehr als die Hälfte der F&E-Ausgaben in Tirol. Pro-Kopf (Tiroler Bevölkerung) geben Tiroler Unternehmen 651 Euro für F&E aus und rangieren damit nach Oberösterreich und Wien an dritter Stelle. Positiv für den Wirtschaftsstandort ist auch, dass die angewandte Forschung in Tirol bei 35,6 und die Grundlagenforschung bei 25,4 Prozent der gesamten Aufwendungen liegen. Das sind absolute Spitzenwerte im Österreich-Vergleich.

„Wir müssen die F&E-Ausgaben noch gezielter auf jene Zukunftsfelder ausrichten, die Wachstum ankurbeln und Arbeitsplätze schaffen“, wünscht sich Tirols Industriepräsident Dr. Christoph Swarovski. „Großer Handlungsbedarf besteht etwa bei der Digitalisierung, wo alle vergleichbaren Regionen klotzen und nicht kleckern.“ Die Industriellenvereinigung Tirol forciert und unterstützt F&E etwa durch Stiftungsprofessuren, Grundlagenarbeiten, die F&E Plattform und mit einer Digitalisierungsoffensive mit den sieben Schwerpunkten Digital Readiness verbessern, Chancen der Digitalisierung nutzen, IKT-Nachwuchs sichern, berufliche Qualifikationen forcieren, Forschung und Innovation vorantreiben, leistungsfähige IKT-Infrastrukturen ausbauen sowie Plattformbildung & Vernetzung unterstützen. Von einem Best-Practice-Pool über Readiness-Benchmark, einer Industrie 4.0 Potenzialanalyse bis hin zu Bildungsangeboten und -programmen arbeiten die Akteure dabei an der strategischen Umsetzung weitreichender Maßnahmen. Das Projektcontrolling und die Koordination der breit angelegten Tätigkeitsfelder liegen bei der IV-Tirol, genauso wie die Weiterführung der „Task Force Industrie 4.0“.

Innovative Lösungen für Personen- und Gütertransport (Foto: sunkid)

Auch das Land Tirol hat seine F&E-Ausgaben in den letzten Jahren konsequent gesteigert. Mit Ausgaben von rund 50 Euro pro Kopf liegt Tirol derzeit schon an zweiter Stelle nach Wien im Bundesländervergleich. Swarovski sieht im Engagement des Landes und der guten Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft große Potentiale, um den Wirtschafts- und Innovationsstandort zu stärken. Luft nach oben bestehe aber nach wie vor in der Beteiligung der Tiroler Forschungsakteure an den Programmen der FFG (Forschungsförderungsgesellschaft).

Überall mit vorne dabei
Erfreuliche Zahlen aus vielen Wirtschafsbereichen hat auch Landeshauptmann Günther Platter parat. „Unser durchschnittliches Wachstum von 2010 bis 2017 liegt bei 1,9 Prozent im Vergleich zum Österreich-Schnitt von 1,2 Prozent“, zitiert aus dem „Tiroler Wirtschafts- und Arbeitsmarktbericht“ aus dem Sommer dieses Jahres. In der Sommersaison 2016 habe man bei einem Gästeplus von 5,5 Prozent erstmals die 20-Millionen-Marke überschritten, heuer sollten es noch mehr gewesen sein. Mit der Gründung der Lebensraum Tirol 4.0 GmbH möchte Platter „diese positiven Trends auch für die Zukunft festigen und verstärken, indem wir die Kräfte bündeln, gemeinsam zukunftsfähige Konzepte entwickeln sowie Projekte in der Umsetzung begleiten“.

Besonders kräftig gesteigert wurde die Bauproduktion mit 6,7 Prozent. „Dazu beigetragen hat auch unser Impulspaket sowie die Infrastrukturmaßnahme Ausbau des schnellen Internets, wo wir bis 2024 insgesamt 100 Millionen Euro investieren“, sagt Platter. „Im Einzelhandel haben wir bei den Umsätzen mit plus 2,2 Prozent das größte reale Wachstum erreicht.“

Im vergangenen Jahr konnten weiters laut Wirtschaftslandesrätin Patrizia Zoller-Frischauf durch die Tiroler Wirtschaftsförderung 7.983 Arbeitsplätze gesichert und 646 neu geschaffen werden. „Zudem gab es 2.691 Unternehmensgründungen, das sind 90 mehr im Vergleich zum Jahr 2015.“ Wichtig ist ihr auch die erfolgreiche Betreuung der Standortagentur Tirol für 26 Unternehmen, die sich aus dem Ausland bzw. österreichischen Bundesländern neu in Tirol angesiedelt haben. Zoller-Frischauf: „Insgesamt wurden 42,3 Millionen an Förderungen genehmigt und damit ein Projektvolumen in Höhe von 485 Millionen Euro unterstützt.“

Unzufrieden mit dem Bund
Mit ihrem Bundesland als Industriestandort sind 57 Prozent der befragten Tiroler Industriebetriebe zufrieden und 21 Prozent sogar sehr zufrieden – in Summe also 78 Prozent, die davon überzeugt sind, dass es im Heiligen Land gut möglich ist, ein Industrieunternehmen erfolgreich zu führen.

Auffallend bei dieser Market-Erhebung ist, dass 57 Prozent der Befragten mit der Arbeit der Landesregierung zufrieden und 14 Prozent sogar sehr zufrieden sind. Von 2013 auf 2017 hat die Zahl der Stimmen deutlich zugenommen, die der Tiroler Landesregierung ein gutes Zeugnis ausstellen. Hier kann die Bundesregierung nicht mithalten: Von ihr und auch von den Sozialpartnern ist die Tiroler Industrie enttäuscht. Die Entscheidungsschwäche beispielsweise bei den Verhandlungen zu flexibleren Arbeitszeiten genauso wie der Reformstau im Bund frustrieren die Betriebe.

Vorzeigeunternehmen und Start-Ups
Die aktuellen „Leading Companies“ in Tirol sind laut dem österreichweiten gleichnamigen Business-Wettbewerb von u.a. KSV1870 und PwC Österreich die „Big Player“ NEUE HEIMAT TIROL Gemeinnützige WohnungsGmbH, Techem Messtechnik GmbH beim „Goldenen Mittelbau“ (beide in Innsbruck), die BULS Chem & More Handels GmbH aus Kematen als „solider Kleinbetrieb“ sowie die Stanser Adolf Darbo AG als österreichischer Marktführer auf dem Marmeladen- und Honigmarkt.

Spektakulär verläuft auch die BIG BUSINESS-Story von ursprünglich vier Innsbruckern, die 1999 die Firma phion gegründet haben, die sich ab 2001 auf Firewalls spezialisiert hat. Eines der ersten großen phion-Projekte war die Realisierung eines IT-Sicherheitssystems für das Allgemeine Rechenzentrum in Innsbruck – damals das europaweit größte Projekt dieser Art, das mehr als 500 Firewalls zentral steuerte und verwaltete. 2009 wurde phion vom amerikanischen IT-Securityunternehmen Barracuda übernommen, die Europazentrale des Konzerns mit 110 Mitarbeitern (weltweit: 1400) blieb in Innsbruck, 50 weitere sind in Wien dazugekommen. „Wir wussten nur, Stehenbleiben funktioniert ganz und gar nicht“, erinnert sich Mitgründer Wieland Alge.

Nicht „stehenbleiben“ wollen im „Heiligen Land“ auch zahlreiche sehr interessante Start-Ups. Zu bekannten Playern entwickelt haben sich z. B. bereits Gloryfy mit bruchfesten Ski- und Sonnenbrillen, Rolf Spectacles als größter Arbeitgeber in Weißenbach mit handgefertigten Brillen oder der Innsbrucker IT-Spezialist Christoph Holz, der mit seiner Firma Visalyze eine Visualisierungssoftware zur qualitativen Analyse und Steuerung von Social-Media-Auftritten entwickelt hat.

Ausgesprochen natürlich „kommt“ die Geschäftsidee der Tyroler Glückspilze: Gründer Mark Stüttler hat 2012 das Mushroom Production Center gegründet. „Pilze können als Dämmmaterial, als Styroporersatz und im Recycling eingesetzt werden.“ Natürlich auch in der Landwirtschaft, wo sie laut Stüttler im Vergleich etwa zu Kartoffeln das Vielfache an Ertrag pro Hektar einbringen, nämlich 800 Tonnen im Jahr. Im hauseigenen Innsbrucker Labor züchtet das Glückspilze-Team auf 800 m2 beispielsweise Glänzende Lackporlinge, Raupenpilze oder Schmetterlingstrameten. Es ist eben in vielerlei Bereichen ein „starkes, heiliges Land“ – sogar bei den Schwammerln …

27.12.2017, Autor: Paul Christian jezek / paul.jezek@lex-press.at