Investitionsschutzabkommen sind völkerrechtliche Verträge zwischen Staaten, welche insbesondere Direktinvestitionen ausländischer Investoren in dem jeweiligen Aufnahmestaat rechtlichen Schutz bieten. Investitionsschutzabkommen werden häufig als bilaterale Abkommen (“Bilateral Investment Treaties” oder kurz “BIT”) abgeschlossen. Daneben existieren auch Investitionsschutzvorschriften in multilateralen Abkommen, wie insbesondere der Vertrag über die Energiecharta (“Energy Charter Treaty”) oder die derzeit viel diskutierten Abkommen zwischen der EU und Kanada (“CETA”) und zwischen der EU und den USA (“TTIP”). Investitionsschutzabkommen gewähren dem Investor häufig ein Klagerecht vor einem internationalen Schiedsgericht (sogenannte Investor-Staat-Streitbeilegung oder “Investor-state dispute settlement”, kurz “ISDS”).

Weitreichende Auswirkungen auf den Investitionsschutz europäischer Investoren in EU-Mitgliedsstaaten nach “Achmea-Urteil” (Foto: pixabay.com)

In einer erst kürzlich ergangenen Entscheidung, dem sog “Achmea-Urteil” (EuGH, Rechtssache C-284/16, Slowakische Republik/Achmea BV, 6.3.2018), setzte sich der EuGH mit der Frage auseinander, ob Investitionsschutzabkommen zwischen EU-Mitgliedsstaaten (“Intra-EU-BITs”), welche über eine Investor-Staat-Streitbeilegung verfügen, mit EU-Recht vereinbar sind.

Ausgangsfall
Achmea BV, ein niederländisches Versicherungsunternehmen, leitete 2008 ein Schiedsverfahren gegen die Slowakische Republik auf Basis des Investitionsschutzabkommen zwischen den Niederlanden und der Slowakei, welches eine sogenannte Investor-Staat-Streitbeilegungsklausel enthält, ein. 2012 verurteilte das Schiedsgericht die Slowakei aufgrund eines Verstoßes gegen dieses Investitionsschutzabkommen zu einer Schadenersatzzahlung von EUR 22,1 Mio an Achmea BV. Daraufhin erhob die Slowakei bei den zuständigen deutschen Gerichten – Schiedsort war Frankfurt am Main, Deutschland – eine Klage auf Aufhebung des Schiedsspruches, ua wegen Ungültigkeit des Investitionsschutzabkommen wegen Unvereinbarkeit mit EU-Recht. Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) legte in letzter Instanz die Frage, ob die Schiedsklausel im Investitionsschutzabkommen zwischen den Niederlanden und der Slowakei mit EU-Recht vereinbar ist, dem EuGH zur Klärung vor.

Investitionsschutz vor Schiedsgerichten ist unvereinbar mit Unionsrecht
Entgegen der Ansicht des BGH und des zuständigen Generalanwalts entschied der EuGH, dass die von der Slowakei angefochtene Schiedsklausel nicht mit EU-Recht vereinbar ist. Aus Sicht des EuGH betreffen derartige Investitionsschutzstreitigkeiten auch die Auslegung bzw Anwendung von EU-Recht, und sind daher vor einem zum Gerichtssystem der Union gehörenden Gericht beizulegen. Nur innerhalb eines solchen Gerichtssystem ist nach Ansicht des EuGH die einheitliche Anwendung und Auslegung des EU-Rechts und damit dessen Autonomie gewährleistet. Eine Paralleljustiz vor Schiedsgerichten, die aufgrund von Investor-Staat-Streitbeilegungsmechanismen in Investitionsschutzabkommen gebildet werden und die einer Kontrolle der Anwendung und Auslegung des EU-Rechts durch den EuGH nicht unterliegen, ist daher für den EuGH mit EU-Recht unvereinbar.

Auswirkungen auf laufende und zukünftige Investitionsschutzstreitigkeiten
Die Begründung des EuGH in dieser Grundsatzentscheidung ist überraschend kurz und allgemein gehalten und lässt viele Fragen offen. So ist insbesondere unklar, was dieses Urteil für bereits anhängige Investitionsschutzverfahren bedeutet.

Hinsichtlich zukünftiger Investitionsschutzstreitigkeiten bleibt abzuwarten, wie Schiedsgerichte, die unter Intra-EU-BITs angerufen werden, das “Achmea-Urteil” interpretieren und allenfalls ihre Zuständigkeit auf Basis dieser Entscheidung künftig ablehnen werden. Jedenfalls werden Gerichte von EU-Mitgliedsstaaten in Verfahren zur Durchsetzung oder Aufhebung von Schiedssprüchen auf Basis von Intra-EU-BITs das “Achmea-Urteil” zu beachten haben.

Es ist auch unklar, ob sich dieses Urteil auf Schiedsklauseln in Intra-EU-BITs beschränkt, oder ob sich die durchaus verallgemeinerungsfähigen Schlüsse des EuGH auch auf vergleichbare Investor-Staat-Streitbeilegungsmechanismen in multilateralen Verträgen, wie vor allem dem Vertrag über die Energiecharta, anwenden lassen. Ein beträchtlicher Teil der anhängigen Investitionsschutzstreitigkeiten basieren auf eben diesem Energiecharta-Vertrag. Es wäre daher nicht überraschend, wenn demnächst ein Schiedsspruch der unter dem Streitbeilegungsmechanismus des Energiecharta-Vertrages ergangen ist, dem EuGH zur Prüfung auf Vereinbarkeit mit EU-Recht vorgelegt wird.

Fazit
Derzeit existieren beinahe 200 Intra-EU-BITs welche über eine Investor-Staat-Streitbeilegungsklausel verfügen. Das “Achmea-Urteil” wird daher weitreichende Auswirkungen auf den Investitionsschutz europäischer Investoren in EU-Mitgliedsstaaten haben. In künftigen Schiedsverfahren kann ein klagender Investor die Auswirkungen des “Achmea-Urteils” zu mindern versuchen, indem nach Möglichkeit der Sitz des Schiedsgerichtes außerhalb der EU gewählt und in der Durchsetzung des Schiedsspruchs nur auf Vermögenswerte des beklagten Staates außerhalb der EU zugegriffen wird. Dadurch kann vermieden werden, dass sich ein Gericht eines EU-Mitgliedsstaates mit dem entsprechenden Schiedsspruch befasst. Auch eine Umstrukturierung des Investments wäre zu überlegen, hin zu einer Gesellschaftsstruktur geschaffen wird, in der zumindest eine (beispielweise zwischengeschaltete) Gesellschaft ihren Sitz außerhalb der EU und in einem Land hat, welches ein entsprechendes Investitionsschutzabkommen mit dem betreffenden EU Mitgliedsstaat hat, in welchem die Investition getätigt wurde bzw werden soll.

16.5.2018, Autor: Johannes Lutterotti / www.jankweiler.at