Eine geplante Novelle des Berufsrechts der Wirtschaftstreuhandberufe (Steuerberater und Wirtschaftsprüfer) sorgt derzeit für helle Empörung unter den 6.300 österreichischen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten. Mit der vom Wirtschaftsministerium vorgeschlagenen Gesetzesänderung sollen die Berufsbefugnisse der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer umfassend ausgeweitet werden – zulasten der freien Berufe und auf Kosten der rechtsuchenden Bevölkerung, wie Rupert Wolff, Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages (ÖRAK), warnt.

„Ein Angriff auf den Rechtsstaat, ein Angriff auf die Qualität der Rechtsberatung, ein Angriff auf Mandanten und Rechtsanwälte gleichermaßen.“ Die Aufregung sei enorm, die Kollegenschaft zu Recht empört.

Fehlende Ausbildung und Berufsregeln
Die Ausweitung der Befugnisse betrifft insbesondere die Errichtung von Verträgen (zB Dienstverträge, Liegenschaftsverträge usw), die Vertretung in allen Verwaltungsstrafverfahren und vor Gerichten (in Firmenbuchsachen und bei Umgründungen) sowie vor dem Verwaltungsgerichtshof. Kritisiert wird, dass die dafür erforderlichen juristischen Ausbildungen und Berufsregeln (Verschwiegenheit, Unabhängigkeit, Schutz vor Interessenskollisionen), wie sie etwa Rechtsanwälte zum Schutz ihrer Klienten zu absolvieren und einzuhalten haben, nicht vorhanden sind. Jede Berufsgruppe solle das tun, wofür sie ausgebildet ist und wofür die notwendigen Rahmenbedingungen vorhanden sind, so Wolff. Nicht umsonst sieht der österreichische Gesetzgeber zum Schutz der Konsumenten derart hohe und spezifische Anforderungen an die jeweiligen Berufe vor.

„Es ist nicht auszudenken, wie groß der Protest wäre, würden Zahnärzte in ihrer Praxis künftig auch Mandel- und Blinddarmoperationen durchführen wollen“, macht Wolff klar. „Bürger, deren Rechte in Verträgen festgehalten und vor Gericht vertreten werden, müssen sich darauf verlassen können, dass dies fundiert und bestmöglich erfolgt. Die Rechtssicherheit der Bürger darf ebenso wenig auf das Spiel gesetzt werden, wie ihre Gesundheit“, warnt Wolff.
Auch die Haftungsregeln der Wirtschaftstreuhänder sind mit jenen der Rechtsanwälte nicht vergleichbar. Dadurch würden Klienten nicht nur Gefahr laufen, von nicht oder jedenfalls nicht ausreichend rechtlich ausgebildeten Personen beraten und vertreten zu werden, sondern könnten im Haftungsfall nicht einmal auf einen adäquaten Haftungsfonds zugreifen.

Rechtsanwälte kündigen Protestmaßnahmen an
Die Rechtsanwälte sprechen von einem Bruch in der österreichischen Rechtsordnung und kündigen bereits Protestmaßnahmen, wie etwa die Einstellung der kostenlosen Ersten Anwaltlichen Auskunft, an, sollte das Gesetz tatsächlich beschlossen werden. „Die Rechtsanwaltschaft spricht sich vehement gegen dieses Vorhaben aus! Ich warne vor den Konsequenzen eines Auseinanderbrechens des bewährten Gefüges der freien Berufe zulasten der Bürger und Unternehmer in unserem Land“, so Wolff. Der Gesetzesvorschlag schade den österreichischen Freiberuflern massiv.

Die Profiteure dieses „Dammbruchs“ wären ausschließlich einige wenige, multinationale Beratungskonzerne, die seit Jahren massives Lobbying betreiben, um den österreichischen Markt unter ihre Kontrolle zu bringen, so Wolff. In Wahrheit hätten nur diese die Kapazitäten und könnten das unternehmerische Risiko aufwenden, um in einem de facto berufsfremden Bereich tätig zu werden. Das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft, die tausenden heimischen Klein- und Mittelunternehmer in den freien Berufen, drohe unter diesem Druck zu zerbrechen. Es sei nicht nachvollziehbar, warum dieses Gesetz noch vor dem Sommer auf Biegen und Brechen verabschiedet werden soll.

Zahlreiche Kritiker warnen vor negativen Folgen
Das System der Spezialisierung unter den freien Berufen hat sich am Markt seit Jahrzehnten bewährt und ist ein Vorzeigekonzept. Es besteht keinerlei Bedarf, dieses nun plötzlich – ohne vorherige Einbeziehung der Betroffenen – entgegen den Fachmeinungen aller Experten aus den Angeln zu heben. „Wir appellieren an die Bundesregierung und die Parlamentarier, entschieden gegen diesen Vorstoß einiger weniger Großkonzerne aufzutreten“, so Wolff. Heftig kritisiert wurde das geplante Gesetz bereits in der Begutachtung; neben den Rechtsanwälten warnen unter anderem der Oberste Gerichtshof, das Justizministerium, die Notariatskammer, die Wirtschaftskammer und die Arbeiterkammer vor negativen Folgen. Umso unverständlicher sei, so Wolff, dass diesen Stimmen bislang kein Gehör geschenkt worden sei.

20.6.2017 / www.rechtsanwaelte.at