Es ist dringend vonnöten, Ereignisse wie die Corona-Pandemie, einen europaweiten Strom-, Infrastruktur- bzw. Versorgungsausfall („Blackout“) oder den Klimawandel mit anderen Maßstäben zu bewerten, als wir das bei sonstigen Risiken tun.

Die Tiroler Gemeinde Bad Häring, eines der „Blackout“-Vorzeigebeispiele, macht sich mit einem neuen Notstromaggregat für etwa 1 Woche einergieautark. (Bild: Bad Häring)

Kommunale Repräsentanten müssen „auf Vorrat denken“, also mögliche negative Entwicklungen vorwegzunehmen und sich darauf vorbereiten. Nur so kann man die notwendige Bewältigungsfähigkeit aufbauen. Entscheidend ist dabei nicht das Wissen (das ist meist ausreichend präsent), sondern die richtigen Schlüsse zu ziehen und vor allem zu handeln. Niemand weiß, wie sich die Pandemie in den nächsten Monaten und die damit verbundenen Folgekrisen weiterentwickeln werden. Wir sollten uns auf jeden Fall kein weiteres Mal völlig unvorbereitet überraschen lassen, denn wir werden uns kein weiteres Mal „koste es, was es wolle“ leisten können.

Dabei hat sich Covid-19 ja „schleichend“ angekündigt, wobei allerdings eben noch kein Ende absehbar ist. Immerhin konnten und konnten noch während der Krise viele Dinge organisiert werden, da nur in Einzelfällen akuter Handlungsbedarf besteht und die Kommunikationsinfrastrukturen grundsätzlich funktionieren. Hingegen kommt bei einem Blackout alles sofort zum Stillstand. Anders als bei der Coronakrise würde etwa die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern abrupt unterbrochen werden. Da bleiben dann keine Tage oder Wochen zum Reagieren, sondern nur wenige Stunden. Ansonsten droht ein Chaos mit katastrophalen Auswirkungen. Covid-19 war und ist daher – überspitzt formuliert – fast noch eine „Warnung“ vor einem möglicherweise weit dramatischeren Vorfall, sollte das Österreichische Bundesheer mit seiner Risikoeinschätzung recht behalten, dass mit einem solchen Ereignis binnen der nächsten fünf Jahre zu rechnen sei. Laut aktuellen Untersuchungen existieren tw. enorme Schwachstellen in den Logistikketten. Es besteht sogar die Gefahr, dass es im schlimmsten Fall zu einem Komplettausfall ganzer Industriezweige, also einem Lieferkettenkollaps kommt.

(Allzu) leicht könnten wir wieder ins „alte Fahrwasser“ geraten und bei der nächsten Eskalation oder Krise erneut unvorbereitet überrascht werden. Daher sollte das primäre Ziel des staatlichen „Wiederaufbauprogramms“ die Erhöhung der infrastrukturellen Robustheit und gesellschaftlichen Resilienz sein. Damit lassen sich Arbeitsplätze mit dem wichtigen Zusatzeffekt schaffen, dass wir dann hoffentlich besser auf die nächsten unerwarteten Ereignisse vorbereitet sind. Deshalb sind Bürgermeister und alle anderen kommunalen Repräsentanten gefordert, diese Mittel zukunftswirksam und robustheitsfördernd einzusetzen. Handlungsspielraum ist gegeben, denn die Zuschüsse im Rahmen des Kommunalen Investitionsprogramms (KIP) für Investitions-, Sanierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen in den Bereichen

• Einrichtungen für die Betreuung von Senioren und behinderten Personen,

• Sanierung und Errichtung von Gebäuden im Eigentum der Gemeinde,

• Energieeinsparungen und Straßenbeleuchtung,

• Photovoltaikanlagen auf gemeindeeigenen Dächern,

• Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungseinrichtungen sowie

• Ladeinfrastruktur für E-Mobilität

sind dazu geeignet, die allgemeine Robustheit voranzutreiben und zu priorisieren.

Mit zielgerichteten Investitionen kann sehr viel zu einer positiven Entwicklung beigetragen werden. Die Gemeinden können jetzt die entsprechenden Forderungen aufstellen und die Grundlagen für langfristiges Planen und Handeln schaffen. So meint Herbert Saurugg – Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Krisenvorsorge –, dass Gemeinden Vorbilder bei der Eigenvorsorge sein sollten, und strebt ein Ausbildungsprojekt für Kommunale Resilienz-Manager an. „Es macht wenig Sinn, dass jede Gemeinde ihr eigenes Süppchen kocht und dieselbe Lernerfahrung und Fehler machen muss; diese Erkenntnis gibt es auch bereits beim Breitbandausbau.“ Der Gemeindebund hat im Sommer „Demox Research“ beauftragt, um die konkreten Sorgen und Herausforderungen der Gemeinden hinsichtlich der Corona-Pandemie zu erheben. Mehr als 700 Bürgermeister aus ganz Österreich haben an der Umfrage teilgenommen. Vor allem die Leistungen der Daseinsvorsorge – also Wasser, Kanal, Müll etc. – haben demnach einwandfrei funktioniert. Außerdem ist der Zusammenhalt in der Bevölkerung in der Krisenzeit weiter gewachsen, wenn man etwa an die vielen Freiwilligen denkt, die Besorgungsdienste übernommen haben. Nach Einschätzung der Bürgermeister hat auch die Eigenverantwortung der Bürger in der Gemeinde zugenommen. Besonders herausfordernd für die Gemeinden waren und sind aber die finanziellen Belastungen durch sinkende Einnahmen und steigende Ausgaben. Zwei Drittel der Bürgermeister sorgen sich weiter um die wirtschaftlichen Folgen der Krise für ihre Gemeinden.

Ein weiteres wichtiges Thema der Gemeinden war und ist die Information über Covid-19-Erkrankte. „Wir haben schon im April gesagt: Wer eine Pandemie wirksam bekämpfen will, braucht die Informationen zu Erkrankten auf lokaler Ebene“, sagt Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl. „Es kann nicht sein, dass Datenschutz wichtiger ist als die Gesundheit unserer Bevölkerung. Wir Bürgermeister sind auch in vielen anderen Bereichen an die Amtsverschwiegenheit gebunden und wissen deswegen genau, wie wir mit sensiblen Informationen umzugehen haben.“ In der Krisenzeit hat sich auch praktisch überall gezeigt, wie notwendig ein flächendeckendes und leistungsfähiges Glasfasernetz ist. Mit Homeoffice und Homeschooling sind viele Netze an ihre Grenzen gestoßen. Riedl: „Nun muss auch jedem klar sein, wie wichtig leistungsfähiges Internet in allen Regionen unseres Landes ist. Wir brauchen jetzt einen raschen Digitalisierungsschub und einen schnellen Netzausbau, damit auch in Zukunft Arbeiten von zu Hause möglich ist.“

Vorzeigebeispiele Mauerkirchen und Bad Häring

Um auf ein mögliches Katastrophen- und Blackout-Szenario künftig bestmöglich vorbereitet und gerüstet zu sein, hat die Gemeinde Mauerkirchen (im Bezirk Braunau) ein Einsatzzentrum im Feuerwehrgebäude eingerichtet. Kernstück ist dabei auch ein neues, starkes Notstromaggregat. „Das Projekt war das Ergebnis einer Feuerwehr-Übung, im Zuge derer u.a. das Szenario eines längeren Stromausfalls durchgespielt wurde“, berichtet Bürgermeister Horst Gerner. Die Idee für das Vorhaben hatte Feuerwehrkommandant Bernhard Buchecker. Ziel ist es, im Ernstfall die Bevölkerung weiterhin durchgehend mit Wasser zu versorgen. „Ich denke, die Versorgungssicherheit wird in Zukunft immer wichtiger werden“, meint Gerner. Das Projekt kostet rund 60.000 Euro.

Weiters führt Mauerkirchen eine Zivilschutz-SMS in der Gemeinde ein, um die Bevölkerung im Katastrophenfall verlässlich zu informieren und möglichen Falschmeldungen aus dem Internet vorzubeugen. Als mögliche Szenarien für die Schutzmaßnahmen nennt Gerner Pandemien oder Hochwasser.

Die Gemeinde Bad Häring (im Gerichtsbezirk Kufstein) wiederum realisierte über mehrere Monate hinweg in Sachen Klimaerwärmung und Umwelt das Projekt „neues Notstromaggregat“, da es eben laut Bürgermeister Hermann Ritzer „durchaus passieren kann, dass die Stromversorgung kurzzeitig den Geist aufgibt“. Mit dem neuen Gerät können nun bei einem Stromausfall die Volksschule mit dem Kindergarten, die Feuerwehr sowie das Wohn- und Pflegeheim in Bad Häring versorgt werden. Mit einer Tankfüllung kann das Aggregat – je nach Leistung und auch Jahreszeit – rund 15 Stunden in Betrieb gehalten werden. Das vorhandene Diesellager wird auf 6.000 Liter erweitert, um mit dem Gerät mindestens eine Woche über die Runden zu kommen. Das Notstromaggregat (im Bauhof eingelagert) ist mobil und dürfte in Ausnahmefällen auch für größere Veranstaltungen innerhalb der Gemeinde benutzt werden. Aus acht Angeboten wurde das beste ausgewählt, Gesamtkosten incl. kompletter Infrastruktur rund 72.000 Euro.

Vorzeigebeispiele Mittersill und Mattighofen

Nochmals zum Hochwasser. Starkregenereignisse werden immer häufiger und überfordern die Schutzvorrichtungen sowie hydraulischen Kapazitäten der Kanäle. So haben im Sommer die anhaltenden Regenfälle in Salzburg zu einem fünf- bis zehnjährlichen Hochwasser an der Salzach und an der Saalach geführt. Besonders in Mittersill spitzte sich die Lage in einer August-Nacht zu, als die Salzach einen Pegelhöchststand von 5,11 Metern erreichte: Im Einzugsgebiet von Wald bis Mittersill waren bis zu 100 Millimeter Regen pro Quadratmeter gefallen.

Die große Flut ist ausgeblieben – vor allem, weil die Schutzmaßnahmen wirkten. Es gab lediglich kleinere, bei Errichtung der Hochwasserschutzmaßnahmen eingeplante Überflutungen in den Rückhalteräumen, jedoch keine im Siedlungsbereich. Mittersill hat sich dafür schon seit weit mehr als einem Jahrzehnt (konkret: seit 2006) gewappnet. „Die über die Jahre eingesetzten rund 25 Millionen Euro haben sich etliche Male gerechnet“, sagt Bürgermeister Wolfgang Viertler. „Wir können es uns ohne Schutz gar nicht mehr vorstellen.“ Tatsächlich belegen die Zahlen die Wirksamkeit der Investitionen: Betrug beim Hochwasser 2005 der Pegelstand in Mittersill 5,16 Meter und richtete einen Gesamtschaden von rund 50 Millionen Euro an, blieben im August 2020 die Schäden aus.

„Das nächste Hochwasser kommt bestimmt, die verbauten Flächen im Stadtgebiet werden immer mehr – und somit hat das Wasser immer weniger freie Fläche, um zu versickern“, weiß auch der Kommandant der FF Mattighofen (im Innviertel), Roman Vorreiter. „Heftiger Platz- und Dauerregen kommen immer öfter vor und somit sind Investitionen in den Katastrophenschutz für die Gemeindebürger sehr wichtig.“ Im August überreichte Bürgermeister Friedrich Schwarzenhofer eine neue Sandsackabfüllmaschine an Kommandant Vorreiter, um für etwaige Katastrophen gerüstet zu sein. Mehrere tausend Euro wurden dabei von der FF Mattighofen selbst aufgebracht, den Rest übernahm die Stadtgemeinde.

Um die Bevölkerung und ihren Siedlungsraum zu schützen, ist auch zukünftig die Finanzierung weiterer Hochwasserschutzprojekte notwendig. Dazu werden vom Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (BMLRT) laufend Projekte des vorbeugenden Hochwasserschutzes bzw. der Instandhaltung von bestehenden Anlagen mit Bundesförderungen unterstützt. Solche Projekte werden in Abstimmung mit der Bundeswasserbauverwaltung des Landes entwickelt, welche die Anträge bei der Kommunalkredit Public Consulting (KPC) einreicht (www.umweltfoerderung.at).

Vorzeigebeispiel Melk

Zum weitläufigen Bereich Energiesicherheit bzw. -einsparungen und Straßenbeleuchtung passt bestens die „Smart Street der Zukunft“ mit u.a. intelligenten Lichtmasten, selbstschaltenden Ampeln, WLAN und Steckdosen an der Bushaltestelle. Was für manche noch futuristisch anmuten mag, hat die Fonatsch GmbH in der Stadtgemeinde Melk in Niederösterreich umgesetzt: Dort befindet sich die erste „intelligente Musterstraße“ Österreichs. Das dabei zum Einsatz kommende multifunktionale Tragwerk „mast have“ bündelt das Know-how, das bei der Straße der Zukunft eine bedeutende Rolle spielt. Um die notwendigen Features anbieten zu können, kommen innovative Technologien zum Einsatz: durch den Einbau multifunktioneller Digital-Features werden aus „normalen“ Lichtmasten mitdenkende, vernetzte Hi-Tec-Produkte.

Lichtsysteme und transparente Glaselemente tragen zur Sicherheit der Fahrgäste bei. Neben Mistkübeln und Fahrplanhalterungen werden die Buswartehäuschen auch mit Citylights (= beleuchteten Schaukästen) ausgestattet. „Stations“ in mehreren Gemeinden sollen demnächst ihrer Bestimmung übergeben werden.

Kriegsbedingte Risiken

Und noch ein ganz wichtiges Thema: Jährlich werden weit mehr als tausend gefährliche Kriegsrelikte beim Wandern, Spazieren oder auch bei Bauarbeiten gefunden. Heuer gab es eine umfangreiche Aktion „Achtung Kriegsrelikte“ des Bundesheeres mit rund 6.300 Plakaten, um die Bevölkerung diesbezüglich zu sensibilisieren. Allein im ersten Halbjahr verzeichnete der Entminungsdienst rund 600 Einsätze. Dabei haben die Experten etwa 7.000 kg an Kriegsmaterial einzeln geborgen, untersucht, beurteilt, abtransportiert und vernichtet. 2019 waren es insgesamt 1.140 Kriegsmaterial-Funde.

Ein Hantieren mit Kriegsrelikten ist für Unbefugte äußerst gefährlich – sie sollten unter keinen Umständen berührt werden. Wird ein Objekt gefunden, dessen Herkunft und Beschaffenheit verdächtig erscheint, sollte man unverzüglich die nächste Polizeidienststelle kontaktieren. In weiterer Folge werden die Mitarbeiter des Entminungsdienstes des Bundesheeres angefordert, die das Kriegsrelikt entschärfen und sicher abtransportieren.

Absicherung für pandemische Zeiten

Gerade bei seltenen Ereignissen, die noch dazu ein enormes Schadenspotenzial aufweisen, können wir uns es nicht leisten, erst aus Erfahrung klug zu werden. Neben Covid-19 zählen auch ein Blackout oder die Klimakrise zu dieser Kategorie. Daher empfiehlt die Risikoforschung folgende Fragestellungen:

1) Was würde es bedeuten, wenn ich als Gemeinderepräsentant mit meiner Einschätzung falsch liege?

2) Wie schlimm wäre ein solches Szenario und welches Schadensausmaß wäre mit ihm verbunden?

3) Welche Maßnahmen können ergriffen werden, um uns gegen ein solches Szenario abzusichern, sollte es dennoch eintreten?

4) Welche Kosten wären mit diesen Maßnahmen verbunden und in welchem Verhältnis stehen sie zum erwartbaren Schadensausmaß?

5) Wenn die erwarteten Kosten für Vorsorgemaßnahmen im Vergleich zum Schadensausmaß deutlich geringer sind, sollten die Maßnahmen auch ergriffen werden. Diesem Prinzip der Risikoabsicherung folgen wir etwa dann, wenn wir im Auto einen Sicherheitsgurt anlegen: Es ist unwahrscheinlich, dass wir in einen schweren Unfall verwickelt werden, und trotzdem sichern wir uns ab!

6.12.2020 / Autor: Paul Christian Jezek / p.jezek@lex-press.at