Aufgrund der aktuellen Entwicklungen ist es nunmehr wahrscheinlich, dass das Vereinigte Königreich zum 1. Februar 2020 aus der EU austritt. Das britische Parlament hat am 22. Jänner 2020 das Austrittsabkommen verabschiedet, die ausständige Abstimmung des Europäischen Parlaments ist für den 29. Jänner 2020 geplant. Dies würde nun bedeuten, dass ein „geregelter Brexit“ zustande kommt.

Im Anschluss wollen die EU und das Vereinigte Königreich Verhandlungen zu deren künftiger Beziehung aufnehmen. Ziel ist es, zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich ein Freihandelsabkommen abzuschließen. Das Austrittsabkommen sieht hierfür aktuell eine Frist bis zum 31. Dezember 2020 vor, sofern nicht eine Verlängerung vereinbart wird.

Während dieses Übergangszeitraums soll weiterhin bilateral das Unionsrecht anwendbar sein, sofern keine abweichenden Regelungen im Austrittsabkommen getroffen werden. Das Unionsrecht soll für das Vereinigte Königreich und im Vereinigten Königreich die gleichen Rechtswirkungen entfalten wie innerhalb der Union und ihrer Mitgliedstaaten. Ebenso soll es nach denselben Methoden und allgemeinen Grundsätzen ausgelegt und angewendet werden, die auch innerhalb der EU gelten.

Auswirkungen im Ertragsteuerrecht
Im Ertragsteuerrecht ist somit davon auszugehen, dass das Unionsrecht während der Übergangsfrist weiterhin unverändert für UK-Sachverhalte anwendbar ist. Es muss daher bei jeder nationalen Regelung mit Verweis auf „EU-Staaten“ einzeln geprüft werden, ob diese auf EU-Recht fußt, andernfalls die Regelung im Verhältnis zum Vereinigten Königreich bereits ab dem 1. Februar 2020 nicht mehr anwendbar ist.

Bis 31. Dezember 2020 sollten somit beispielsweise weiterhin anwendbar sein:

  • Quellensteuerfreie Dividendenausschüttungen im Konzern;
  • Quellensteuerfreie Zahlung von Zinsen und Lizenzgebühren im Konzern;
  • Begünstigende Regelungen im Bereich der Wegzugsbesteuerung (d.h. Ratenzahlungs- bzw Nichtfestsetzungskonzept).

Wir empfehlen, während des Übergangszeitraums bei UK-Sachverhalten eine jeweilige Einzelfallprüfung hinsichtlich der Weitergeltung des zugrunde liegenden Unionsrechts. Bitte berücksichtigen Sie bei Ihrer Planung auch, dass ein „Hard Brexit“ zum 1. Jänner 2021 eintritt (d.h. Wegfall aller Begünstigungen des Unionsrechts), wenn sich die EU und das Vereinigte Königreich bis zum 31. Dezember 2020 weder auf ein Freihandelsabkommen noch eine Verlängerung der Übergangsfrist einigen.

Auswirkungen im Bereich der Umsatzsteuer und des Zollrechts
Bei einem geregelten Austritt treten auch im Bereich der Umsatzsteuer und des Zollrechts bis 31. Dezember 2020 grundsätzlich keine Änderungen ein.

Bei Anträgen auf Vorsteuerrückerstattung ist allerdings zu beachten, dass diese nach den Bedingungen der Richtlinie 2008/9 bis spätestens 31. März 2021 zu stellen sind.

Darüber hinaus sieht das Austrittsabkommen im Bereich Umsatzsteuer und Zollrecht Sonderbestimmungen vor. Diese Sonderbestimmungen sind unter anderem für Warenlieferungen von Bedeutung, deren Versendung oder Beförderung noch vor dem Ablauf des Übergangszeitraums beginnt, aber nach seinem Ablauf endet. Außerdem findet die Richtlinie 2006/112/EG auch noch fünf Jahre nach Ende des Übergangszeitraums Anwendung auf die Rechte und Pflichten von steuerpflichtigen Personen in Bezug auf vor Ende des Übergangszeitraums erfolgte Umsätze mit einem grenzüberschreitenden Element zwischen dem Vereinigten Königreich und einem Mitgliedstaat.

Für die genauen Auswirkungen der Sonderbestimmungen auf umsatzsteuerliche und zollrechtliche Sachverhalte ist gegebenenfalls eine Einzelfallprüfung vorzunehmen.

23.1.2020, Autorinnen: Lisa Hoflehner, Ines Hofbauer-Steffel, Alexandra Hainz / www.pwc.at