Verfassungsgerichtshof Österreich (© VfGH / Achim Bieniek)

Wird eine Selbstanzeige nach Ankündigung einer abgabenbehördlichen Prüfung erstattet, ist sie nicht „kostenlos“, sondern entfaltet erst bei Erbringung einer zusätzlichen Abgabenerhöhung (zusätzlich zur Steuernachzahlung) ihre schuldbefreiende Wirkung. Oftmals werden dabei in einer Selbstanzeige Tathandlungen offengelegt, die mehrere Abgabe(arten) betreffen. Nach einem jüngst ergangenen Erkenntnis des VwGH (3.6.2020, Ra 2019/16/0125) sind bei einer mehrere Abgabenarten betreffenden Selbstanzeige die Abgabenerhöhungen gesondert pro Abgabenart festzusetzen. Zudem dürfen Abgabenerhöhungen im Beschwerdeverfahren nicht auf weitere Jahre ausgedehnt werden.

Sachverhalt
Der Revisionswerber erstattete eine Selbstanzeige betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer für die Jahre 2000 bis 2017, zumal steuerpflichtige Mieteinnahmen weder erklärt noch die damit verbundenen Abgaben (ESt+USt) abgeführt wurden. Weiters wurden auch geringfügige Zinseinnahmen in den Jahren 2010 bis 2015 im Rahmen der ESt-Erklärung nicht offengelegt. Das Finanzamt setzte daraufhin mit Bescheid eine Abgabenerhöhung iHv EUR 26.567,40 fest, zumal die gegenständliche Selbstanzeige aus Anlass einer finanzbehördlichen Prüfung erstattet wurde und der Verdacht eines zumindest grob fahrlässigen Finanzvergehens vorlag. Als Bemessungsgrundlage führte das Finanzamt nach Jahren aufgeschlüsselte Mehrbeträge an ESt und USt für 2011 bis 2015 sowie an USt für 01-09/2017 an.

Gegen diesen Abgabenerhöhungsbescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde. Entgegen dem Beschwerdevorbringen dehnte das BFG in seinem „Sammelerkenntnis“ den für den Zuschlag maßgebenden Zeitraum auf die Jahre 2009 bis 2015 sowie 1-9/2017 aus, sodass sich in Summe eine Abgabenerhöhung iHv EUR 31.905,27 ergab (Verböserung). Dagegen richtete sich die gegenständliche Revision.

Entscheidung des VwGH
Zunächst stellte der VwGH klar, dass es unerheblich ist, wenn Abgabenerhöhungen hinsichtlich Abgaben, die Zeiträume vor dem 30.9.2014 betreffen, festgesetzt werden. Dies sei damit zu begründen, dass die Festsetzung einer Abgabenerhöhung auf ein Verhalten nach der Tat, nämlich die Erstattung einer Selbstanzeige anlässlich einer abgabenbehördlichen Prüfung, und nicht auf Sachverhalte im Tatzeitpunkt des Finanzvergehens, abstellt.

Der VwGH sprach der Revision allerdings in der Hinsicht Berechtigung aus, dass das BFG den Zeitraum für die Bemessungsgrundlage der Abgabenerhöhung unzulässig ausgedehnt hatte, zumal das Finanzamt über die ESt und USt für die Jahre 2009 und 2010 gar nicht mit Bescheid abgesprochen hatte. Darüber hinaus betonte der VwGH, dass das Finanzamt ursprünglich die Abgabenerhöhung rechtswidrig mit „Sammelbescheid“ festgesetzt hatte. Dazu führte der VwGH aus, dass die Abgabenerhöhung ein Nebenanspruch ist und es daher nicht ausreicht, wenn lediglich die Bemessungsgrundlagen, nicht aber die einzelnen Beträge des Zuschlags, genannt werden. Vielmehr ist eine Abgabenerhöhung betreffend mehrere Zeiträume bzw Abgaben erst dann rechtsrichtig festgesetzt, wenn nicht nur ein Abgabenerhöhungsbetrag, sondern für jede einzelne Abgabe gesondert eine Abgabenerhöhung (ggf in einem Bescheid gemeinsam, aber getrennt ausgewiesen) festgesetzt wurde.

Fazit
Für die Festsetzung einer Abgabenerhöhung kommt es nicht auf den Tatzeitpunkt des betreffenden Finanzvergehens an, sondern auf den Zeitpunkt des Nachtatverhaltens (Erstattung einer Selbstanzeige). Bei einer mehrere Jahre und allenfalls auch mehrere Abgabenarten betreffenden Selbstanzeige ist nicht eine Abgabenerhöhung, sondern mehrere Abgabenerhöhungen und zwar für jede einzelne Abgabe gesondert (allenfalls in einem Sammelbescheid), festzusetzen. Eine Ausdehnung der Abgabenerhöhung auf weitere Jahre ist im Zuge einer Verböserung im Rechtsmittelverfahren nicht zulässig.

28.9.2020 / Autor: Philip Predota / Deloitte Tax Wirtschaftsprüfungs GmbH / www.deloitte.at