Im von anhaltenden Nullzinsen und Marktverwerfungen geprägten Umfeld können sich (fast) alle österreichischen Privatbanken in diesem herausfordernden Geschäftsjahr über Kundenwachstum freuen: Das Bedürfnis nach persönlicher Beratung hat aufgrund der vorherrschenden Unsicherheit deutlich zugenommen.

„Vieles ist digitalisierbar – das persönliche Gespräch auf Augenhöhe zwischen Anlageberater und Kunde aber nicht!“, sagt Werner Zenz vom Bankhaus Spängler. (Bild: pixabay)

Im Unterschied zu 2008/09 ist die gegenwärtige Wirtschaftskrise durch eine Pandemie verursacht und stellt keine Bankenkrise dar. „Das Vertrauen in das Finanzsystem und in die Banken bleibt bestehen“, sagt Wilhelm Celeda, CEO der Kathrein Privatbank. „Das war auch daran zu erkennen, dass wir trotz der schwierigen Marktphase keinerlei Panik unserer Kunden beobachtet haben. Es fanden auch keine übermäßigen Geldabhebungen statt, lediglich verstärkte Investitionen in Gold waren zu verzeichnen.“

Das gesteigerte Interesse am edlen Metall bestätigt Andreas Fellner, Vorstand der Linzer Partner Bank. „Wir sehen physisches Gold vor allem aufgrund seiner Wertbeständigkeit und zur Absicherung des Portfolios als wesentlichen Bestandteil der persönlichen Vorsorge.“ Allerdings sollte man Gold nicht wegen Renditeüberlegungen kaufen. Fellner: „Fünf bis zehn Prozent sind aus unserer Sicht die richtige Beimischung und auch als Inflationsschutz ratsam. Da der Wert Schwankungen unterliegt, bietet die Partner Bank die Möglichkeit, durch regelmäßigen Kauf kleiner Mengen über einen längeren Zeitraum einen Goldbestand aufzubauen.“

Beratungspräsenz

In Pandemie-Zeiten wie diesen liegt das Hauptaugenmerk der Privatbanken eindeutig auf der persönlichen Beratung. „Themen sind oft Zinsen und Inflation, aber auch, ob jetzt die richtige Zeit ist, um in Aktien oder Immobilien zu investieren“, berichtet Wilhelm Celeda.„Viele Kunden haben die Schwächephase der Aktienmärkte für den Einstieg oder für Zukäufe genutzt. Wir empfehlen in solchen volatilen Phasen meistens einen gestaffelten Einstieg in den Kapitalmarkt.“

„Oberstes Gebot ist es, auch unter herausfordernden Bedingungen für die Kunden dazu sein“, stimmt Thomas Schaufler, Privatkundenvorstand der Erste Bank, zu. „Dieser aktive Beratungsansatz im Rahmen der Corona-Krise wird sehr geschätzt, und hat auch zu einer deutlichen Zahl an Neukunden geführt. Unsere Mitarbeiter standen vom ersten Tag des Lockdowns immer uneingeschränkt zur Verfügung. Das ist immens wichtig, da es verständlich ist, dass die Kunden verunsichert und nervös sind. Die Umstellung vom persönlichen Gespräch zur Online- bzw. telefonischen Beratung war umgehend möglich, da wir über eine sehr gute IT-Infrastruktur verfügen. Wo und wie der Termin stattfindet, entscheidet der Kunde – die Gesundheit aller hat aktuell aber höchste Priorität.“

Mitte November holte sich die Erste Group den Preis für die „Best Private Bank in Central and Eastern Europe“ und konnte sich damit zum siebenten Mal bei den Global Private Banking Awards behaupten. Weiters wurde Erste Private Banking als „Best Private Bank in Austria 2020“ ausgezeichnet. Ausgelobt werden die Preise alljährlich von den beiden der Financial Times Group angehörenden Fachpublikationen The Banker und PWM. Erste Private Banking finanziert, investiert und schützt Vermögen im Namen von 20.000 Kunden in CEE und weltweit. 2019 lag der Schwerpunkt in allen CEE Ländern auf der weiteren Neugewichtung der Portfolios – die dafür verwendeten Investmentprodukte erzielten im Jahresvergleich ein robustes Wachstum von 10,3 Prozent.

Die Liechtensteinische Landesbank (Österreich) AG (LLB) bezieht neben den Entwicklungen rund um Covid-19 geopolitische Themen wie die Inhomogenität innerhalb Europas, den Brexit sowie die internationalen Krisenherde in die Veranlagungsstrategie mit ein. „Zudem hat im Laufe der Coronakrise auch das Thema Nachhaltigkeit rasant an Bedeutung gewonnen“, geht CEO Robert Löw auf die aktuelle Anlagepolitik der LLB ein: „Zuletzt konnte primär im US-Markt eine Stabilisierung bzw. sogar leicht positive Revision der Unternehmensgewinne beobachtet werden. Die vergleichsweise hohen Kursfortschritte können als Vorbote dieses Gewinn-Turnarounds erklärt werden, wobei Europa diesbezüglich noch hinterherhinkt. In der Anlageklasse Aktien waren und sind Technologiewerte, Kommunikationsunternehmen und zyklischer Konsum die Krisengewinner. Wir glauben, dass dieser Trend noch nicht vorbei ist und empfehlen, Rücksetzer zu nutzen und diese preislich fortgeschrittenen Branchen dennoch zu besetzen.“

Bei Bonds sieht Löw die interessantesten Chancen im Bereich europäischer Unternehmensanleihen mit einem Investment-Grade-Rating, die vom Kaufprogramm der EZB profitieren. „Auch viele Schwellenländer haben in der Krise ein glaubwürdiges Sicherheitsnetz aufgespannt, welches das Ausfallsrisiko minimiert. Bei Anleihen sehr guter Bonität und längerer Laufzeit können sich Anleger zudem einen Sicherheitspolster aufbauen, der in schwierigen Marktphasen die Volatilität des Portfolios reduzieren kann. Hier denken wir z.B. an US-Treasuries, die trotz hoher Bonität noch eine leicht positive Rendite aufweisen, und an bonitätsstarke große Unternehmen.“

Neue Produkte und Flexibilität

Die Schoellerbank hat neuerdings mit Private-Equity-Investments für besonders vermögende Kunden die Möglichkeit geschaffen, an der Wertschöpfung nicht börsennotierter Unternehmen zu partizipieren und sich bereits in frühen Phasen an der Entwicklung zu beteiligen. „Bei besonders komplexen Vermögensfragen setzen wir hoch spezialisierte Investment Advisors ein“, erläutert der Vorstandsvorsitzende Dieter Hengl. „Darüber hinaus verfügen wir mit der Schoellerbank Invest AG über eine hauseigene Kapitalanlagegesellschaft, die Spezialfonds nach Kundenwunsch auflegt.“

Euram Bank-Chef Manfred Huber sieht die Herausforderungen für Privatbanken in der Flexibilität, in umfassenden, nachhaltigen Strategien für den Kunden, im Erkennen der Bedürfnisse der kommenden Generationen sowie in der Auswahl und Ausbildung der eigenen Mitarbeiter. „Die gesamte Finanzbranche muss sich strikt an die regulatorischen Vorgaben halten und die Veränderungen laufend konsequent umsetzen.“ Wichtig ist für Huber, sich in Krisenzeiten nicht komplett von den Kapitalmärkten abzuwenden und zum Vermögenserhalt neben Aktien auch auf eine breite Streuung über verschiedene Anleihensegmentezu setzen.

In einer Nische verortet ebenso Wilhelm Raninger die Wiener Privatbank, als deren CEO er per 1.1.2020 Helmut Hardt nachfolgte. „Wir verstehen nachhaltiges Investieren als Fokus auf solide Substanzwerte und inflationsgeschützte Wertsteigerungen. Als Sachwertspezialist agieren wir ganz bewusst als One-Stop-Shop und bieten eine 360°-Wertschöpfungskette aus einer Hand: eine integrierte Kombination aus Veranlagungsmöglichkeiten, Servicedienstleistungen und Finanzierungen rund um (Wiener) Immobilien.“ Auch in der Wertpapierveranlagung orientiert sich die Wiener Privatbank an nachhaltigen Kriterien und berücksichtigt dabei ein ESG-konformesAnlageuniversum.

Für die Gutmann Bank spielt diesbezüglich auch die Stimmrechtsausübung bei Hauptversammlungen für ihre Nachhaltigkeitsfonds eine wichtige Rolle. „Zu unserer Produktpalette gehören Aktien- und Anleihefonds, quantitative Investmentansätze sowie Private Equity Impact Investment“, erläutert Frank W. Lippitt, Vorsitzender des Vorstandes und Partner der Bank. „In all unseren Publikumsfonds sind Investments auf Einzeltitelbasis (Anleihen und Aktien) in Unternehmen ausgeschlossen, die mehr als fünf Prozent ihrer Umsätze mit dem Abbau von Kohle generieren. Auf Kundenwunsch setzen wir auch spezifische Nachhaltigkeitskriterien in Portfolios individuell um.“

Digitalisierung

Bei der Geldanlage ergeben sich durch neue technische Möglichkeiten auch Chancen. „Beispielsweise haben wir 2018 als erster Anbieter in Österreich eine Online-Vermögensverwaltung („CARL“) eingeführt“, erinnert sich Werner G. Zenz, Sprecher des Vorstandes beim Bankhaus Spängler. „Unter carl-spaengler.at können Kunden und Neukunden ab 30.000 Euro vollkommen digital ein Wertpapierdepot eröffnen.“

Aber auch das Fazit von Zenz entspricht den Erfahrungen seiner Branchenkollegen: „Digitale Angebote ersetzen nicht die reale Begegnung zwischen Berater und Kunde. Vieles ist digitalisierbar – das persönliche Gespräch auf Augenhöhe zwischen Anlageberater und Kunde aber nicht!“

6.12.2020 / Autor: Paul Christian Jezek / p.jezek@lex-press.at