Das einzige, das mich am Sterben stört, ist, dass dies nicht aus Liebe geschieht.
(Gabriel García Márquez, „El amor en los tiempos de cólera“ = „Die Liebe in den Zeiten der Cholera“)

Aktuell ist Aus- und Weiterbildung – so wie vieles andere auch – ein Kampf gegen virale Windmühlen. Aber auch dieser muss gewonnen werden. Das BFI Wien ist nur ein Beispiel. Zur Größenordnung: Aktuell beschäftigt man zusammen mit Tochterunternehmen rund 800 Mitarbeiter sowie mehr als 1.000 selbständige Trainer. Gut 45.000 Menschen nehmen jährlich an den Lehrgängen, Kursen und Seminaren des Erwachsenenbildungsinstituts teil. „Töchterlichen“ Status nimmt die Fachhochschule des BFI Wien mit acht Bachelor- und sechs Masterstudiengängen ein, die Schulen des BFI Wien (HAK/HAS) und die gemeinnützige Job-TransFair GmbH, die am Arbeitsmarkt benachteiligte Menschen bei der Suche nach dem richtigen Job unterstützt.

Noch Anfang März wurde stolz – und öffentlich! – das modernste Ausbildungszentrum für Schweißtechnik in Wien eröffnet: Im dritten Gemeindebezirk werden dort künftig jährlich hunderte Fachkräfte ausgebildet: Auf 1.300 m² können bis zu 60 Personen gleichzeitig in den gängigsten Schweißverfahren, wobei die Bandbreite dabei von Lichtbogenhandschweißen bis zu Metallaktivgasschweißen reicht. „In ganz Österreich werden Schweißer händeringend gesucht. Statt sie zu importieren, bilden wir sie aus und sorgen dafür, dass der Industriestandort Österreich mit Fachkräften versorgt wird“, erklärt Geschäftsführer Franz-Josef Lackinger.

Im Auftrag des AMS Wien wird daher künftig zahlreichen arbeitssuchenden Personen das Handwerk des Schweißens sehr praxisbezogen nähergebracht: „Auch die voranschreitende Digitalisierung in der Metallverarbeitung ändert nichts daran, dass gute Schweißer auch in Zukunft sehr gute Jobaussichten haben. Mit diesem neuen Ausbildungszentrum gelingt es uns, arbeitssuchenden Menschen eine neue Berufsperspektive zu eröffnen und gleichzeitig Firmen mit bestens geschultem Personal zusammenzubringen“, so Lackinger.

Neben arbeitssuchenden Personen haben am BFI Wien Standort Franz-Grill-Straße auch Firmen die Gelegenheit, ihre Belegschaft in dieser für die Metallindustrie systemkritischen Kompetenz schulen zu lassen. „Neben unseren grundlegenden bzw. standardisierten Lehrgängen sind wir durch unsere langjährige Erfahrung in diesem Bereich in der Lage, auf die individuellen Bedürfnisse der Firmen einzugehen und maßgeschneiderte Aus- und Weiterbildungspakete zu besten Konditionen anzubieten“, so Lackinger. Offeriert werden dabei u.a. die gängigen Schweißverfahren Metallinertgas- (MIG), Wolframinertgas- (WIG) und Gasschmelzschweißen (Acetylen-Schweißen). „Aber selbst wenn es sich um das Schweißen spezieller Legierungen oder Materialien handelt – wir haben die Expertise, um passende Schulungskonzepte zu entwickeln.“

Denn auch wenn dies etwas aus den Medien verschwunden ist, ist der Beruf des Schweißers in Österreich noch immer ein absoluter Mangelberuf. So kamen 2019 auf 1807 offene Stellen lediglich 759 in diesem Beruf arbeitslos gemeldete Personen. Das ergibt laut WKO Fachkräfteradar eine sogenannte Stellenandrangziffer von 0,42 – auf 100 offene Stellen kommen 42 als arbeitslos gemeldete Personen. „2019 konnte also mehr als jede zweite Stelle nicht besetzt werden“, so Lackinger.

Und nun? Nun hält das Virus auch das BFI Wien in seinen hypothetischen Klauen. Immerhin ist es in wenigen Tagen gelungen, mehr als die Hälfte des Kursprogramms auf Onlinebetrieb umzustellen: Egal ob Buchhaltung, Lerncoach, Italienisch oder Vorbereitungslehrgänge auf die Lehrabschlussprüfung – dank einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema Blended Learning (Mix aus Präsenz- und Onlineunterricht) in den letzten Jahren kann der Schulungsbetrieb fortgeführt werden. „Unsere Trainer gehen sehr kreative Wege und passen sich den Gegebenheiten an. Die Bandbreite reicht dabei vom multimedialen Lernkartensystem und Videolektionen über virtuelle Klassenzimmer bis zu spezialisierten Lern-Apps. Die persönliche Betreuung wird bestmöglich über Skype, Telefon, Mail oder Chat sichergestellt“, ist Lackinger erfreut über die Flexibilität der Lehrenden und Lernenden. Und er verspricht: Etwaige Praxistermine, die für den Abschluss der unterschiedlichen Schulungen notwendig sind, werden nachgeholt, sobald ein Präsenzunterricht wieder möglich ist.

Eine Vorahnung?
An der FH Campus Wien war eine der letzten „öffentlichen“ Aktivitäten in den glücklichen Zeiten „davor“ passenderweise die Auseinandersetzung mit der Analyse von urbanen Mikrobiom-Daten. Grundsätzlich findet die Urbane Metagenomik – die Erforschung von Mikrobiomen einer Stadt – als Forschungsdisziplin weltweit immer mehr Beachtung, weil die Resultate auch für die Stadtplanung hilfreich sein können. Die Auswertung der Daten allerdings ist bislang kompliziert, weshalb Forscher der FH Campus Wien in einem von der Stadt Wien – MA 23 geförderten Forschungsprojekt die UrbanMetagenApp entwickelt haben: eine Analyseapplikation, mit der Metagenomikdaten schneller und einfacher analysiert, interpretiert und visualisiert werden können. Als erster Use Case diente das Mikrobiom-Universum in der Wiener U-Bahn.

Das Procedere klingt wie ein Rückblick auf längst vergangene Zeiten und gleichzeitig dennoch wie eine fast schon unheimlich-prophetische Vorahnung: Zur Datenerhebung, welche Organismen während einer U-Bahn-Fahrt gesammelt werden, fuhren Testpersonen auf verschiedenen Routen mit der U-Bahn durch Wien. Von deren Handflächen wurden Proben mit Wattestäbchen, sogenannten Swabs, genommen – und zwar nach sorgfältigem Händewaschen vor der Fahrt in den Öffis und ein zweites Mal danach. Die Handflächen zeigten nach der Stadttour vermehrt DNA-Spuren von Pflanzen und Tieren, die mit Lebensmitteln assoziiert sind. Der Bakterien-Mix unterschied sich auch deutlich vom Mikrobiom, das in vorangegangenen Analysen von Oberflächen der U-Bahn, wie etwas Haltegriffen, festgestellt worden war. An der Entwicklung der Applikation für den Use Case „Urbane Metagenomik“ waren die FH Campus Wien-Studiengänge Bioinformatik, Bioengineering und Bioverfahrenstechnik beteiligt – weltweit soll die UrbanMetagenApp auch bei der Erstellung einer mikrobiellen Weltkarte eingesetzt werden: Studien über das urbane Mikrobiom werden in 100 Städten unterschiedlicher Länder in einer Forschungskooperation durchgeführt.

Quer durchs Bundesgebiet
Ähnlich agieren die Fachhochschulen landein, landaus. In der FH Burgenland hat man sich entschieden, einzelne Lehrveranstaltungen und Gastvorträge online auch der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Natürlich (auch) zur causa prima: „COVID 19: Was wissen wir? Wo stehen wir?“ stand da kürzlich auf dem Themenzettel: „Ein Einblick in die aktuelle Entwicklung der SARS-CoV-2 Pandemie in Österreich und was lernen wir von anderen Ländern?“ Eine offene Diskussionsrunde mit Martin Sprenger. Epidemiologe und Public Health Experte, Mitglied der COVID-19 Taskforce des Bundesministeriums und langjähriger Lektor des Departments Gesundheit FH Burgenland.

Am Campus Linz der FH Oberösterreich ist wie auch am FH Campus Wien und andernorts der Präsenzbetrieb seit dem 15.3. bis zumindest 13.4. unterbrochen. Die Lehrveranstaltungsleiter sind berechtigt, die Prüfungsmodalitäten so zu ändern, dass die Prüfungen tatsächlich abgehalten werden können und es ist anzustreben, dass die Prüfungen rechtzeitig, d.h. am Ende der LVA, längstens jedoch bis Ende September absolviert werden können. Zu Berufspraktika, Industrie- und Masterprojekten hat die FH OÖ laut Geschäftsführer Gerald Reisinger vier Fälle abgegrenzt

  1. Das Unternehmen bietet dem Studierenden an, das Berufspraktikum im Unternehmen wie geplant (also auch zum geplanten Termin) durchzuführen und der Studierende ist bereit, dieses Angebot anzunehmen.
  2. Das Unternehmen und der Studierende einigen sich darauf, den Beginn des Berufspraktikums zu verschieben oder bereits begonnene Berufspraktika zu unterbrechen, jedoch bis spätestens Anfang Juni, sodass ein Abschluss des Bachelorstudiums noch im September möglich ist.
  3. Das Unternehmen bietet dem Studierenden an, das Praktikum (im Wesentlichen mit dem vereinbarten Inhalt) in Form von Home-Office abzuwickeln. Wenn der Studierende einverstanden ist, kann das Berufspraktikum in diesem Modus abgewickelt werden. Wenn der Studierende nicht einverstanden ist, dann kommt 4. zur Anwendung.
  4. Tritt einer der folgenden Sachverhalte ein:
    a) Das Unternehmen muss das Berufspraktikum absagen, weil es in der aktuellen Situation für das Unternehmen nicht durchführbar ist,
    b) der Studierende kann oder will das Berufspraktikum bei dem Unternehmen nicht antreten, weil er die Befürchtung hat, sich einem Risiko auszusetzen,
    c) der Studierende fühlt sich außerstande, die vorgesehene Aufgabe in Form von Home-Office abzuwickeln,
    dann wird empfohlen, den Praktikumsvertrag von beiden Seiten einvernehmlich zu lösen; der FH-seitige Betreuer muss in einem solchen Fall dem Studierenden eine Projektaufgabe stellen, die im Idealfall der ursprünglichen Aufgabenstellung nahekommt, die aber jedenfalls einen Aufwand erfordert, der den ECTS-Punkten für das Praktikum entspricht. Der Betreuer muss zum Ende der Laufzeit die Praktikumsteilnahme bestätigen und beurteilen.
    „Analog zur Lehre sind Themen der Forschung & Entwicklung zu behandeln“, sagt Reisinger. „Ich gehe davon aus, dass es für alle Projekte, die durch öffentliche Mitteln zumindest co-finanziert sind, eine praktikable Lösung seitens der Fördergeber geben wird. Projektaufkündigungen bei reinen Industrieprojekten sind – meiner Einschätzung nach – auch nur im Einzelfall zu erwarten. Wo eine temporäre Anwesenheit aus der Natur der Projekte zwingend notwendig ist, gilt, dass diese Tätigkeiten wahrgenommen werden können bei Minimierung der Präsenz, wobei immer zwei Personen anwesend sein müssen.“
    Damit hat die FH OÖ – wie auch der Quervergleich mit den anderen Gesellschaften der OÖ Landesholding zeigt – eine sehr pragmatische und mitarbeiterorientierte Lösung zur Bewältigung der aktuellen Situation gewählt.

Weiter westlich hat die FH Salzburg erste Maßnahmen und Informationen an Studierende und Belegschaft bereits im Februar realisiert. Des Weiteren wurden in der Folge Dienstreisen und Exkursionen gestoppt bzw. untersagt. Auch die mit rund 2.000 Besuchern größte Veranstaltung des Jahres, das „Open House“, wurde kurzfristig abgesagt. „Dabei haben wir von Anfang an auf umfassende und rasche Kommunikation gesetzt“, berichtet FH Salzburg-Geschäftsführerin Doris Walter, die auch den internen Krisenstab leitet. „Wir sind in regelmäßiger Abstimmung mit den Behörden, den Ministerien, den Studierenden und unseren Mitarbeitern aus den verschiedenen Bereichen.“ Unmittelbar mit 10.3. – der Verkündung konkreter Maßnahmen durch die Bundesregierung – wurden der Studienbetrieb heruntergefahren und umfassende Maßnahmen gesetzt. Seither findet an den vier Standorten kein Unterricht mehr statt, der Präsenz erfordert. Die Unterrichtseinheiten wurden zu einem großen Teil auf Online-Formate umgestellt, Regelungen für die Abhaltung von Prüfungen und Betreuungen wurden getroffen, Veranstaltungen wurden abgesagt.

„Innerhalb von 14 Tagen sind mehr als die Hälfte der Lehrveranstaltungen auf Online umgestellt worden“, erläuter FH-Rektor Gerhard Blechinger. „Bei einer Gesamtanzahl von gut 76.000 Lehrveranstaltungsstunden pro Studienjahr bedeutet die kurzfristige Umstellung während des laufenden Semesterbetriebs eine große Herausforderung.“ Dem Aufruf, den Unterricht „virtuell“ durchzuführen, folgte viel Engagement und Kreativität. Unterstützung erhalten die Lehrenden in der Auswahl der richtigen Tools, in der technischen Infrastruktur und Durchführung, aber auch mit didaktischen Konzepten. Austausch, Best-Practice-Beispiele, Lernen von Kollegen sowie Online-Schulungen und Anleitungen stehen zur Verfügung. „Studierende wie Lehrende nehmen die neuen Möglichkeiten der Zusammenarbeit gut an“, freut sich Blechinger über die gelebte Veränderungsbereitschaft. Dennoch, so Blechinger, sei es gerade an einer angewandten und praxisnahen Hochschule wie einer FH beinahe unmöglich, wirklich alle Lehrveranstaltungen online abzuwickeln. „Deshalb versuchen wir, geeignete Lehrinhalte – beispielsweise theoretische Grundlagen – der folgenden Semester vorzuziehen.“

Wer im Herbst 2020 ein Studium an der FH Salzburg starten möchte, kann sich uneingeschränkt online anmelden. Auch die Informationsveranstaltungen sind auf „Online“ verlegt: Über ein Webinar können sich Interessierte über die Studiengänge informieren und den Lehrenden im Chat Fragen stellen. Auch auf die verschiedenen Service-Angebote brauchen die Studierenden trotz Corona-Virus nicht verzichten: Das FHStartup Center bietet das individuelle Coaching online an. Das Career Center stellt Webinare mit Tipps zum Thema „Homeoffice“ und „Online-Bewerbungsgespräch“ zur Verfügung. Und das auch die anderen Fachhochschulen landauf, landab – bis der Kampf gegen das Virus gewonnen ist und auch darüber hinaus …

20.11.2020 / Autor: Paul Christian Jezek / p.jezek@lex-press.at