Am 19. September 2019 hat der österreichische Nationalrat das EU-Meldepflichtgesetz („EU-MPfG“) beschlossen. Mit diesem Gesetz wird die DAC 6 Richtlinie der EU in innerstaatliches Recht umgesetzt. Für österreichische Unternehmen mit grenzüberschreitenden Geschäftsvorfällen besteht – unabhängig von ihrer Größe – akuter Handlungsbedarf.

Eckpunkte
Das beschlossene EU-MPfG entspricht inhaltlich in weiten Teilen der DAC 6 Richtlinie der EU. Demzufolge sind Berater sowie Unternehmen zukünftig verpflichtet, bestimmte grenzüberschreitende Strukturen/Transaktionen der Finanzverwaltung im Rahmen von ad hoc Meldungen mitzuteilen. Eine Missachtung dieser Meldeverpflichtung führt zu empfindlichen Strafen.

Folgende Eckpunkte des Gesetzes sind besonders hervor zu heben:

  • Beginn der laufenden Meldeverpflichtung: 1. Juli 2020 (sog. „Altfälle“ (siehe unten) sind bis 31. August 2020 zu melden)
  • Die o.a. Frist beginnt bereits mit der Herausgabe der Beratung zu einer Gestaltung zu laufen (unabhängig von ihrer tatsächlichen Umsetzung). Eine Ausnahme gilt nur für Altfälle, bei welchen auf die tatsächliche Umsetzung abgestellt wird.
  • Von der Meldepflicht sind nur grenzüberschreitende Gestaltungen erfasst (d.h. keine Meldepflicht für reine Inlandsgestaltungen).
  • Umsatzsteuer, Zölle, Verbrauchsteuern, Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung und bestimmte Gebühren sind vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen.
  • Ein Verstoß gegen die Meldepflicht gilt als Finanzordnungswidrigkeit. Das Strafmaß beträgt pro Transaktion bis zu EUR 50.000 bei Vorsatz und bis zu EUR 25.000 bei grober Fahrlässigkeit.
  • Es gibt keine Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige bei unterlassener/falscher Meldung.
  • Sämtliche Meldungen werden quartalsweise mit den zuständigen Behörden aller anderen Mitgliedstaaten im Wege des automatischen Informationsaustausches ausgetauscht.

Der Wortlaut des Gesetzes birgt – wie die Richtlinie – noch große Unsicherheiten im Hinblick auf die Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale. Dem Vernehmen nach ist ein Erlass in Planung, der zur Beseitigung von Rechtsunsicherheiten beitragen soll.

Meldepflichtige Gestaltungen

  • Im EU-MPfG sind bestimmte Merkmale von Gestaltungen definiert, die zu einer Meldepflicht führen (sog. „Hallmarks“).
  • Die meldepflichtigen Gestaltungen sind in den §§ 5 und 6 EU-MPfG geregelt. Es kommt zu einer Unterteilung in unbedingt (§ 5) und bedingt (§ 6) meldepflichtige Gestaltungen.
  • Bedingt meldepflichtige Gestaltungen sind vorbehaltlich der Erfüllung des sog. „Main Benefit Tests“ meldepflichtig. Für die Erfüllung des Main Benefit Tests ist es ausreichend, wenn – für zumindest eine der an der Gestaltung beteiligten Personen – lediglich einer der Hauptvorteile der Gestaltung die Erlangung eines in- oder ausländischen Steuervorteils ist.
  • Unbedingt meldepflichtige Gestaltungen sind unabhängig von etwaigen Steuervorteilen zu melden.

Beispiele für meldepflichtige Gestaltungen
Nach dem derzeitigem Wissenstand (Gesetzesentwurf, Diskussionen in der Fachwelt) können z.B. folgende Transaktionen potentiell eine Meldepflicht auslösen:

  • Die grenzüberschreitende Übertragung von immateriellen Wirtschaftsgütern (z.B. Markenrecht) innerhalb des Konzerns.
  • Grenzüberschreitende konzerninterne Leistungsbeziehungen, bei denen der Verrechnungspreis unter Ausnützung von unilateralen Vereinfachungsregeln („Safe Harbour Regelungen“) ermittelt wird. Dies kann z.B. ein von ausländischen Finanzverwaltungen pauschal akzeptierter Darlehenszinssatz oder Mark-Up auf Konzerndienstleistungen sein.
  • Ein Forderungsverzicht gegenüber einer ausländischen Tochtergesellschaft (sog. „Debt Equity Swap“).
  • Einzahlung eines Zuschusses durch einen ausländischen Gesellschafter in die Kapitalrücklage einer wirtschaftlich geschwächten österreichischen Tochtergesellschaft, welche diese Mittel für die Rückzahlung eines Darlehens an denselben Gesellschafter verwendet.
  • Gestaltungen/Strukturen, die durch bewusste Einschaltung einer Treuhand- oder Stiftungsstruktur den wirtschaftlichen Eigentümer eines Unternehmens verbergen (folglich Ersatzmeldung von Geschäftsführung in WiEReG).

Form der Meldung

  • Die Meldung hat binnen 30 Tagen, ab dem die Meldepflicht auslösenden Ereignis, über FinanzOnline zu erfolgen.
  • Die Meldung kann in deutscher oder englischer Sprache erfolgen, wobei bestimmte Informationen zwingend auf Englisch zu melden sind.

Übergang der Meldepflicht
Das sogenannte „Beraterprivileg“ wurde umgesetzt; d.h. die Meldepflicht geht vom Berater/Intermediär auf den Steuerpflichtigen über, wenn:

  • die Beratung von einer berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht gedeckt ist und
  • der Intermediär den Klienten über die Meldepflicht informiert und
  • der Intermediär vom Klienten nicht explizit von der berufsrechtlichen Verschwiegenheit entbunden wurde.

Darüber hinaus trifft den Steuerpflichtigen die Meldepflicht auch dann, wenn er die Gestaltung in-house (ohne Einbeziehung eines Beraters) entwickelt hat, oder sich eines in einem Drittland ansässigen Beraters bedient hat. Weiters trifft ihn die Meldepflicht, wenn für einen involvierten Berater – aufgrund der Vorlage von bloßen Teilinformationen seitens des Steuerpflichtigen – die Meldepflicht nicht erkennbar war.

Handlungsbedarf
Das nunmehr beschlossene EU-MPfG stellt insoweit ein Novum im österreichischen Steuerrecht dar, als es eine ad hoc Meldung (binnen 30 Tagen) für bestimmte Gestaltungen vorsieht. Dies wird die betroffenen Intermediäre/Berater (Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater, Banken, Versicherungen, etc.) sowie Unternehmen vor große Herausforderungen stellen.

Falls noch nicht passiert, sollten betroffene Unternehmen zeitnah folgende Überlegungen anstellen:

  • Welche meldepflichtigen Gestaltungen wurden seit dem 25. Juni 2018 bzw. werden bis 30. Juni 2020 umgesetzt? Diese Altfälle sind gesammelt bis spätestens 31. August 2020 zu melden.
  • Wie soll diese neue Compliance-Verpflichtung organisatorisch im eigenen Unternehmen abgebildet werden (u.a. Definierung personeller Zuständigkeiten, Schulung für die betroffenen Personen, Eingliederung im IKS), um in weiterer Folge nicht dem Risiko von Strafzahlungen ausgesetzt zu sein?
  • Wie sollen die zukünftig im In- und EU-Ausland erforderlichen Meldungen inhaltlich abgestimmt, gesteuert und dokumentiert werden (Vermeidung von Mehrfachmeldung, Vermeidung von inkonsistenten Meldungen, etc.)?

20.9.2019, Autoren: Christine Schellander, Nikolaus Neubauer / www.pwc.at