Firmen auf der ganzen Welt müssen sich in immer kürzeren Abständen neu erfinden. Damit diese überlebensnotwendige Transformation gelingt, braucht es Mut, Offenheit und vor allem radikale Ideen von Rebellen, die sich über Konventionen und Normen hinwegsetzen, um echte Innovationen zu ermöglichen.

Gelebte Innovationskultur heißt aktiv mitgestalten, nicht reagieren. (Symbolbild: pixabay.com)

Denn die großen Meilensteine der Gesellschaft wären ja ohne Rebellen nie geschehen: Das Frauenwahlrecht oder das Ende der Apartheid zum Beispiel. Allerorts gingen Menschen als treibende Kräfte voran, setzten sich leidenschaftlich und mit vollem Einsatz über Konventionen und Normen hinweg – und riskierten dabei sogar ihr Leben.

„Unternehmen sind heute angesichts des steigenden Veränderungs- und Digitalisierungsdrucks gefordert, bisherige Prozesse und Geschäftsmodelle von Grund auf in Frage zu stellen – um nicht nur zu adaptieren und zu reagieren, sondern auch die Zukunft mitzugestalten“, weißt Barbara Stöttinger, Dekanin der WU Executive Academy. „Nach dem Motto It’s better to disrupt yourself than to be disrupted benötigt eine erfolgsversprechende Innovationskultur zuallererst Menschen, die Glaubens-, Denk- und Verhaltensmuster aufbrechen.“

Wann unternehmerisches Rebellentum funktioniert
Deshalb haben Markus Platzer, „provokativer“ Coach für Führungskräfte, Andersdenker und Trainer, und Fred Luks, Ökonom und Experte für Transformation, CSR und Sustainability, gemeinsam mit der WU Executive Academy das Kurzprogramm „Awaken you inner rebel“ entwickelt, um Managern und Führungskräften dabei zu helfen, den Rebellen in ihnen zu erwecken. Die beiden sind auch selbst in ihrer Karriere rebellisch in Konzernen unterwegs gewesen. Heute beraten sie Unternehmen und Führungskräfte dabei, Veränderung zu begrüßen, dafür passende Rahmenbedingungen zu schaffen und dadurch Innovation möglich zu machen.

Rebellen sind per Definition Menschen, die Regeln und Autoritäten hinterfragen, herausfordern und bewusst umgehen. „Dringend notwendige Veränderung ist in Unternehmen nicht immer positiv besetzt und wird oft mit diversen Mitteln verhindert“, erklärt Markus Platzer. „Es braucht Personen, die bewusst für Irritation, Ärger und Verwunderung sorgen – Dinge zu tun, die sich andere nicht trauen und dadurch auch tatsächlich grundlegende Veränderung in Gang bringen – sich über Ideen nett austauschen, ist in der Regel zu wenig.“

Allerdings ist es mit Offenheit in Unternehmen nicht getan: „Eine offene Unternehmenskultur ist die Voraussetzung für Innovation, sie alleine reicht aber nicht. Es braucht Leute, die mutig sind, vorangehen und Dinge ausprobieren, die andere nicht tun würden“, so Fred Luks. Umgekehrt würden Rebellen in einem sehr starren System ohne Offenheit keine Chance haben: „In solchen Kulturen beißen sie sich die Zähne aus.“

Regeln sind da, um gebrochen zu werden
Zum Rebellentum gehört der gepflegte Regelbruch – natürlich im legalen Rahmen. „Ohne Rebellen, die nicht Regeln gebrochen hätten, würden wir noch auf Bäumen sitzen“, meint Luks. Man muss aber nicht unbedingt die formellen Regeln im Unternehmen brechen, um ein Rebell zu sein: „Es gibt genügend ungeschriebene Regeln, die Veränderung verhindern“, so Luks. Rebellen bräuchten für ihr aufrührerisches Tagwerk allerdings Durchhaltevermögen, „ein hohes Energielevel und eine starke intrinsische Motivation“, sagt Platzer.

Auch Platzer hält den strategischen Regelbruch für legitim: „Gerade in großen Organisationen muss man innerhalb der Regeln spielen und Allianzen schmieden, aber was ich stark feststelle: unfassbar viel Zeit wird für politische Spielchen unproduktiv vergeudet. Bei wem positioniere ich welche Themen in geeigneter Form? Wer spricht diese Themen an, welches Sicherheitsnetz müssen wir vorab bauen und wen dürfen wir keinesfalls verärgern? Man stelle sich vor all diese Zeit würde tatsächlich produktiv eingesetzt werden – welchen Wettbewerbsvorteil könnten Unternehmen gegenüber ihren Mitbewerbern generieren? Es ist Zeit für Radikale Offenheit, um nicht immer mit großen Augen gen Silicon Valley schauen zu müssen.“

Bill Gates und die „Kuschel-Diskussionskultur“
Fred Luks betont die Relevanz einer innovationsfreundlichen Kultur: „Es gibt den berühmten Spruch: ,Bill Gates wäre in Deutschland über seine Garage nie hinausgekommen.‘ Zu scheitern ist in Österreich, Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern oft ein Stigma.“

Markus Platzer identifiziert für Österreich auch eine „Kuschel-Diskussionskultur“, die Konfrontation vermeidet und Harmonie sucht. „Eine offene Diskussionskultur, ja Freude am Diskurs, halte ich für entscheidend, damit echte Innovation überhaupt gelingen kann.“

Von den Kollegen und Mitarbeitern Rebellentum zu erwarten, wenn sie dabei gleichzeitige ihre Jobs gefährden, sei allerdings der falsche Weg, sagt Fred Luks: „Es ist auch Aufgabe der Führungskräfte, „Rebellentum“ zu ermöglichen. Sie müssen nicht unbedingt selbst rebellisch sein.“ Wichtig sei hier Diversität im Unternehmen: „Also ein guter Mix von unterschiedlichen Meinungen und Fähigkeiten – auch etwa im Hinblick auf Alter, Herkunft, Geschlecht und bunten Lebensläufen.“

An einer rebellen- und damit innovationsfreundlichen Unternehmenskultur sollte jedenfalls über Employer Branding hinaus gearbeitet werden: „Verspricht das Jobinserat mehr, als die Unternehmenskultur hält, zieht man junge Talente an, die sich drei Tage nach Jobbeginn fragen, ob sie im falschen Film gelandet sind?“, fragt Platzer. „Auf einmal ist dann von der angepriesenen agilen Unternehmenskultur, dem wertschätzenden Miteinander und den flachen Hierarchien wenig übrig.“ Diese Talente würden das Unternehmen „überraschenderweise“ bald wieder verlassen.

„How-to-be-a-rebel-Guide“: So überzeugen Sie erfolgreich als Rebell
Rebellen, die sich leidenschaftlich für ihre unkonventionellen Ideen und Überzeugungen einsetzen, können für die Veränderungs- und Innovationsfähigkeit von Unternehmen von unschätzbarem Wert sein. „Jedoch mit dem Kopf um jeden Preis durch die Wand zu wollen, ist sicher nicht die beste Strategie“, sagt Fred Luks. Markus Platzer und er haben daher einen kleinen „How-to-be-a-rebel-Guide“ zusammengestellt, der Rebellen dabei helfen soll, mit ihren Ideen auch bei ihren Führungskräften und Kollegen Gehör zu finden. Wie so oft im Leben geht es auch hier um das „Gewusst wie“:

• Langer Atem
Prüfen Sie sich selbst auf Ihren eigenen Antrieb. Wie wichtig ist Ihnen Ihre Idee? Welche Vision haben Sie dazu? Seien Sie sich bewusst, dass Sie einen langen Atem für diverse Diskussionen benötigen.

• Strategische Vorgehensweise
Sie wollen eine andersartige Idee durchsetzen? Dann unterlegen Sie diese faktenbasiert und mit (Kenn-) Zahlen. Überzeugen Sie in einer äußeren Form, die den Entscheidungsträgern bekannt ist.

• Gemeinsam sind wir stark
Suchen Sie sich Sparringpartner und schmieden Sie Allianzen mit Mitstreitern für Ihre Idee.

• Wer nicht wagt, der nicht gewinnt
Fragen Sie nicht lange um Erlaubnis, sondern starten Sie einfach im Kleinen los: in Ihrem Team, im Rahmen Ihrer Möglichkeiten. Experimentieren Sie, probieren Sie aus, adaptieren Sie bei Bedarf. Ist die Umsetzung Ihrer Idee von Erfolg gekrönt, berichten Sie davon und überzeugen andere Führungskräfte, es Ihnen gleichzutun. Seien Sie da ruhig etwas naiv, was Regeln betrifft – oder tun Sie zumindest so. Entschuldigen Sie sich im Nachhinein.

• If you can’t convice them, confuse them
Sorgen Sie für Irritation, wo es nötig ist.

• Die „Königsidee“
Wenn es die einzige Möglichkeit ist, um Ihr Ziel zu erreichen: Hängen Sie den Erfolg am Ende Ihrem Vorgesetzten um. Das ist zwar old school, aber besser als keine Veränderung.

12.4.2021 / Autor: Paul Christian Jezek / paul.jezek@lex-press.at