Interessante Zukunftsszenarien für globale Lieferketten. (Symbolbild: pixabay.com)

Je nach Gegend erzählt man sich, dass die Ostereier vom Hasen, dem Storch, dem Kuckuck oder dem Fuchs gebracht werden. Und was antworten wir auf die Fragen der Kinder, wer die Ostereier bringt? Für Kinder steht, je nach Alter, nicht die konkrete Antwort im Zentrum des Interesses, sondern der Weg dorthin, über Geschichten und Phantasien. Das Osternest und nicht der Weg des Osternests bis in sein Versteck, steht im Mittelpunkt.

Und der Brückenschlag zum Thema Lieferketten? Möglicherweise ein Kontrapunkt. Denn bei Lieferketten geht es primär darum, Unternehmen zu verpflichten, die gesamten Vorleistungen in der Wertschöpfungskette auf umweltschädigende Aspekte oder Verstöße gegen anerkannte Arbeits- oder Sozialstandards zurückzuverfolgen.

Die globalen Lieferketten stehen zuletzt nicht nur aufgrund der Pandemie und der damit einhergehenden Knappheit an Ressourcen vor einer herausfordernden Zukunft. Die aktuellen europäischen und nationalen Gesetzesvorhaben, welche die Umsetzung des sozialen Faktors der ESG-Kriterien anstreben, verstärken diesen Unsicherheitsfaktor nochmals. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, ihre Lieferketten anhand der zukünftig geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen zusätzlich anzupassen.

Im Herbst des vergangenen Jahres hat die Europäische Union ihre Pläne zur Verbesserung von Arbeitsbedingungen und Sozialstandards in den globalen Lieferketten in groben Zügen vorgestellt. Die Konsultationsphase wurde vor kurzem abgeschlossen und die Ergebnisse sollen noch dieses Jahr in einen Gesetzgebungsvorschlag der EU-Kommission einfließen. Deutschland konnte diese Entwicklungen nicht schnell genug gehen und hat Anfang März 2021 sein Lieferkettengesetz beschlossen.

EU-Kon­sul­ta­ti­on zu neu­en Sorg­falts­stan­dards in Lie­fer­ket­ten
Bereits im Laufe dieses Jahres plant die EU ein Gesetzesvorhaben einzuleiten, um global agierende Unternehmen aus Europa entlang ihrer Lieferketten und an ihren Produktionsstandorten außerhalb Europas in die soziale Verantwortung zu nehmen. Die öffentliche Konsultationsphase ist abgeschlossen und das EU-Parlament hat sich erst kürzlich mit überwiegender Mehrheit für einen Initiativbericht ausgesprochen, wodurch die EU-Kommission aufgefordert ist, klare Regeln und Gesetze in Form eines EU-Lieferkettengesetzes zu schaffen.

Der weitere Fahrplan sieht nun vor, dass die EU-Kommission im zweiten Quartal 2021 einen Richtlinienvorschlag veröffentlicht. Dem Vernehmen nach soll der Entwurf zwei unterschiedliche Ansätze verfolgen: Einerseits sollen konkrete Pflichten für die Geschäftsleitung von Unternehmen bei der Verfolgung langfristiger Interessen vorgesehen werden. Andererseits soll die Sorgfaltspflicht hinsichtlich der Lieferketten in Bezug auf soziale Fragen, Umweltauswirkungen und Menschrechte geregelt werden. Weiters sollen Bestimmungen zur Haftung und zur Aufsicht enthalten sein. Neben einer zivilrechtlichen Haftung werden auch strafrechtliche Sanktionen diskutiert.

Rah­men­be­din­gun­gen in Deutsch­land
Der Gesetzesentwurf zur Einführung eines deutschen Lieferkettengesetzes wurde Anfang März dieses Jahres durch das Bundeskabinett verabschiedet und soll noch vor dem Sommer durch den Deutschen Bundestag beschlossen werden. Ab dem Jahr 2023 werden von diesem Gesetz alle Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern und ab 2024 alle Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern erfasst. Die gesetzlichen Vorgaben unterscheiden sich nach den unterschiedlichen Stufen der Lieferkette. Es wird zwischen dem (i) eigenen Geschäftsbereich, (ii) unmittelbaren Zulieferern und (iii) mittelbaren Zulieferern differenziert. Unter anderem kommt auf die Unternehmen eine Pflicht zur Erstellung einer Risikoanalyse, die Einrichtung eines Risikomanagements sowie die Durchführung einer transparenten und öffentlichen Berichterstattung zu.

Liegt beispielsweise ein Verstoß gegen Pflichten im eigenen Geschäftsbereich vor, ist das Unternehmen dazu verpflichtet, unverzüglich Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, welche den Verstoß beenden und Präventionsmaßnahmen einzuleiten. Weiters drohen den betroffenen Unternehmen bei Pflichtverletzungen Bußgelder in Höhe von bis zu zwei Prozent des weltweiten Umsatzes sowie ein Ausschluss von öffentlichen Auftragsvergaben.

Kritiker bemängeln, dass insbesondere kleinere Unternehmen, auf die das Gesetz nicht unmittelbar anwendbar ist, mittelbar wesentlich betroffen sein werden. Es ist nämlich davon auszugehen, dass große Unternehmen zur entsprechenden eignen Compliance-Absicherung zukünftig in stärkerem Maße von ihren Zulieferern verlangen werden, dass diese selbst Präventionsmaßnahmen ergreifen oder ihnen diese gegebenenfalls aufgrund des wirtschaftlichen Machtgefälles sogar direkt vorgeben.

Aus­wir­kun­gen auf ös­ter­rei­chi­sche Un­ter­neh­men
Bestrebungen für eine eigene nationale Gesetzesinitiative für ein österreichisches Lieferkettengesetz haben sich bisher nicht konkretisiert. Aufgrund der engen wirtschaftlichen Verflechtung österreichischer und deutscher Unternehmen wird allerdings das deutsche Lieferkettengesetz zweifelsfrei mittelbar Auswirkungen auch auf österreichische Unternehmen haben. So ist zu erwarten, dass sich deutsche Unternehmen zur Erfüllung ihrer eigenen Verpflichtungen u.a. auch an österreichische Unternehmen als unmittelbare oder mittelbare Zulieferer wenden werden, um Informationen hinsichtlich der Lieferkette zu erlangen, gegebenenfalls Änderungen zu erwirken oder generell Vorgaben zu diktieren.

Je nach Position des österreichischen Unternehmens in der gesamten Liefer- und Wertschöpfungskette gilt es aus dem Blickwinkel des österreichischen Unternehmens sicherzustellen, dass es seinerseits durch Überbindung dieser Informationsansprüche und Verpflichtungen an seine eigenen Lieferanten überhaupt in der Lage ist, die künftigen Anforderungen zu erfüllen. In der Praxis bewährt sich dabei unter anderem der Einsatz sogenannter dynamischer Integritätsklauseln. Derartige Klauseln in Verträgen und Geschäftsbedingungen sind eine Möglichkeit, bei künftig ungewissen Entwicklungen vorausschauend die notwendige Flexibilität sicherstellen, um Anforderungen von Partnern in der Lieferkette abzufedern.
Wer bringt also nun die Os­ter­ei­er?

3.4.2021 / Autor: Florian Kranebitter / Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH / www.fwp.at