Umsatzsteuer: Achtung vor Konventionalstrafen – Konventionalstrafen können, in Anbetracht der Rechtsprechungsentwicklung des EuGH, nicht mehr ohne Weiteres pauschal als nicht umsatzsteuerbarer Schadenersatz eingeordnet werden. (Symbolbild: pixabay.com)

Ob bestimmte Sachverhalte, die zivilrechtlich als vertraglicher Schadenersatz zu qualifizieren sind, eine Umsatzsteuerpflicht auslösen, ist ein steuerrechtlicher „Dauerbrenner“. Leistungen im Rahmen eines Schadenersatzes sind lediglich dann ein steuerbarer Umsatz, wenn es sich um einen sogenannten „unechten Schadenersatz“ handelt. Ein solcher ist — grob vereinfacht — immer dann anzunehmen, wenn die Schadenersatzleistungen im Austauschverhältnis der Parteien wurzeln, andernfalls liegt ein sogenannter „echter Schadenersatz“ vor. Die Grenzziehung zwischen echtem und unechtem Schadenersatz ist oftmals anhand einer Einzelbetrachtung vorzunehmen. Mit diesem Beitrag soll die umsatzsteuerliche Behandlung von Konventionalstrafen unter Berücksichtigung der jüngeren Entwicklung in der EuGH-Judikatur näher beleuchtet werden.

Konventionalstrafe im Umfeld der zivilrechtlichen Leistungsstörung
Gläubiger können grundsätzlich vom Schuldner den Ersatz des Nichterfüllungsschadens fordern, wenn der Schuldner die vertraglich bedungene Leistung beispielsweise überhaupt nicht oder zu spät erfüllt. Der Gläubiger ist im Rahmen seines Schadenersatzanspruchs vermögensmäßig so zu stellen, wie wenn der Schuldner seine Leistung ordnungsgemäß erfüllt hätte (vgl. zuletzt OGH 24.05.2022, 4 Ob 82/22w).

Beispiel für Konventionalstrafen – Nichterfüllungsschaden
A kauft bei B 1.000 Tonnen Stahl um 1.600.000 Euro, den er bereits an C um 1.800.000 Euro weiterveräußert hat. Liefert nun B nicht, so beträgt der Nichterfüllungsschaden des A 200.000 Euro.

Die Ermittlung des konkreten Nichterfüllungsschadens kann sich als diffizil erweisen, weshalb in der Praxis oftmals eine Konventionalstrafe vereinbart wird. Im Rahmen einer Konventionalstrafe verspricht eine Vertragspartei (der oder die „Versprechende“) die Leistung eines konkret bezifferten Betrags (Pönale) an den Vertragspartner für den Fall, dass sie ihre vertragliche Pflicht nicht ordnungsgemäß erbringt. Die Konventionalstrafe (Pönale) bezweckt zwar vordergründig die Schadenspauschalierung, bewirkt aber zugleich beim Versprechenden einen Erfüllungsdruck und wirkt damit vertragsbestärkend. Der Gläubiger kann bei schuldhafter Nicht- oder Schlechterfüllung durch den Versprechenden die im Vorhinein vertraglich vereinbarte Pönale grundsätzlich zur Gänze fordern.

Beispiel 2 für Konventionalstrafen bei Nichterfüllung
Anknüpfend an obiges Beispiel vereinbarten A und B eine Pönale in Höhe von 400.000 Euro für den Fall der Nichtlieferung durch B, sodass A die Pönale grundsätzlich zur Gänze fordern kann.

Im Fall der Nichterfüllung steht die Pönale statt der Hauptleistung zu. Bei entsprechender vertraglicher Vereinbarung kann die Pönale neben der versprochenen Hauptleistung gefordert werden, wenn der Vertrag „bloß“ nicht ordnungsgemäß erfüllt wurde. Übersteigt der tatsächliche Schaden die vereinbarte Pönale, kann der Gläubiger im B2B-Geschäft zusätzlich den Differenzbetrag fordern. Im B2C-Geschäft steht die Geltendmachung eines solchen Mehrbetrags unter dem Vorbehalt einer entsprechenden Vereinbarung. Übersteigt hingegen die Pönale den tatsächlichen Schaden, kann die vertraglich bedungene Pönale gemäß § 1336 ABGB richterlich gemäßigt werden. Das richterliche Mäßigungsrecht kann zwischen den Parteien im Vorfeld nicht abbedungen werden.

Konventionalstrafen und ihre traditionelle umsatzsteuerliche Einordnung
Aus umsatzsteuerlicher Sicht ist das Vorliegen eines Leistungsaustauschs Voraussetzung eines steuerbaren Umsatzes. Hierfür müssen zwei Parteien beteiligt sein und es muss ein innerer Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung bestehen. An einem solchen Kausalzusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung fehlt es z. B. beim (nicht steuerbaren) echten Schadenersatz.

Nach traditioneller österreichischer Auffassung werden Konventionalstrafen für Fälle von Annahme- oder Lieferverzug ebenso wie Zahlungen, die eine Vertragspartei aufgrund ihres vorzeitigen Rücktritts vom Vertrag zu leisten hat, als nicht umsatzsteuerbar angesehen (Rz. 11 bzw. 15 UStR 2000). Konventionalstrafen beruhen nach Ansicht der Finanzverwaltung — genau wie geleistete Verzugszinsen — auf einem eigenen Rechtsgrund, ihre Bezahlung stellt (nicht steuerbaren) echten Schadenersatz dar (Rz. 11 UStR 2000 mit Verweis auf EuGH 01.07.1982, Rs. C-222/81, BAZ Bausystem). Dabei ist es unbeachtlich, ob Zahlungen, die eine Vertragspartei (in der Regel der/die Käufer:in) aufgrund ihres vorzeitigen Rücktritts vom Vertrag zu leisten hat, bereits bei Vertragsabschluss — für den Fall der Nichterfüllung — vereinbart werden oder im Zuge des Rücktritts als Entschädigung für entgangenen Gewinn zu leisten sind. Auch der VwGH erblickt in Konventionalstrafen im Zweifel Schadenersatz und keine Preisminderung (VwGH 26.03.1992, 90/16/0217).

Als erläuterndes Beispiel wird von der Finanzverwaltung in Rz. 15 der UStR 2000 jenes eines Autohändlers angeführt, der mit einem Kunden einen Vertrag über die Lieferung eines Neuwagens mit einer Lieferfrist von zwei Monaten abschließt. Erklärt sich der Kunde dabei nach Ablauf der Lieferfrist außerstande, den abholbereiten Pkw zu bezahlen bzw. zu übernehmen, und wird er zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet, kommt der ursprünglich vereinbarte Kaufvertrag nicht zustande. Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist zu prüfen, ob der durch den Kunden wegen Nichterfüllung der Vertragspflichten zu entrichtenden Entschädigung eine Gegenleistung des Autohändlers gegenübersteht; dies sei üblicherweise nicht der Fall und die Entschädigung somit nicht umsatzsteuerbar.

Steuerbarkeit von Schadenersatzzahlungen im Lichte der jüngeren EuGH-Judikatur
In Anbetracht der jüngeren Judikatur des EuGH scheint die korrekte umsatzsteuerliche Einordnung von Schadenersatzzahlungen, die zivilrechtlich teils als Konventionalstrafen eingestuft werden, als nicht steuerbar oder steuerbar immer mehr zu einem von Kasuistik geprägten Graubereich zu mutieren. So sind basierend auf den Entscheidungen des EuGH in den Rs. MEO (22.11.2018, Rs. C-295/17) und Vodafone Portugal (11.06.2020, Rs. C-43/19) Zahlungen von im Vorhinein festgelegten Beträgen für die vorzeitige kundenseitige Beendigung von Dienstleistungsverträgen mit Mindestbindefrist unabhängig von ihrer zivilrechtlichen Einstufung als Konventionalstrafe als steuerbares Leistungsentgelt anzusehen. Dies gilt unabhängig davon, ob die kundenseitig zu leistende Zahlung dem Betrag entspricht, den der Leistende bei regulärer Vertragserfüllung erhalten hätte, oder die Strafzahlung nach einer vertraglich vereinbarten Formel berechnet wurde, aber geringer ist als das ohne Vertragsbeendigung für die restliche Vertragslaufzeit zu entrichtende Dienstleistungsentgelt.

Anpassung der nationalen Umsatzsteuerrichtlinien
Entsprechend erfolgte eine Anpassung der nationalen Umsatzsteuerrichtlinien und es gelten seit 01.01.2020 Beträge, die ein Unternehmer im Fall der vorzeitigen kundenseitigen Beendigung eines Dienstleistungsvertrags mit einer Mindestbindungsfrist oder aus einem dem/der Kund:in zuzurechnenden Grund bezieht, als Gegenleistung für eine gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung (Rz. 8 UStR 2000). Gleichzeitig ist jedoch die Ansicht der Finanzverwaltung, wonach bei Leasingverträgen, die durch den Leasinggeber aus im Vertrag genannten wichtigen Gründen einseitig vorzeitig aufgelöst werden, vom Leasingnehmer für den verbleibenden Zeitraum der ursprünglichen Vertragsdauer noch zu leistende Zahlungen echten Schadenersatz darstellen (mVa VwGH 12.11.1990, 88/15/0081), seither unverändert geblieben (Rz. 18a UStR 2000).

Bereits im Jahr 2015 entschied der EuGH (23.12.2015, Rs. C-250/14, Air France — KLM), dass das Ausstellen von Flugscheinen durch eine Fluggesellschaft umsatzsteuerbar ist, auch wenn die Fluggäste die ausgegebenen Flugscheine nicht benutzt haben und sie für diese keine Erstattung erhalten können (folglich ebenso Rz. 8 UStR 2000). Die Leistung der Fluglinie besteht dabei darin, den Fluggast in die Lage zu versetzen, den Flug in Anspruch zu nehmen.

Ferner sind nach der Entscheidung des EuGH in der Rs. Apcoa Parking (20.01.2022, Rs. C-90/20) Kontrollgebühren, die ein Parkplatzbetreiber in dem Fall erhebt, dass Kraftfahrer:innen die allgemeinen Nutzungsbedingungen für diese Parkplätze nicht beachten, als Gegenleistung für eine Dienstleistung anzusehen und folglich umsatzsteuerbar. Der EuGH gibt damit auch hier zu erkennen, dass vertraglich geregelte Strafzahlungen unter gewissen Umständen der Umsatzsteuer unterzogen werden müssen und ein Leistungsaustausch bejaht wird.

Es zeigt sich, dass Konventionalstrafen in Anbetracht der Rechtsprechungsentwicklung des EuGH nicht mehr ohne Weiteres pauschal als nicht umsatzsteuerbarer Schadenersatz eingeordnet werden können. Vielmehr muss der jeweilige Einzelfall in Anbetracht der zugrunde liegenden vertraglichen Vereinbarung überprüft werden. Auch muss die Frage der Umsatzsteuerbarkeit daraufhin untersucht werden, ob durch die Leistungsbereitschaft bereits eine eigenständige Leistung erbracht wird, für die die Entrichtung einer Strafzahlung eine Gegenleistung darstellt. Gegen das Vorliegen einer Steuerbarkeit spricht zum einen die nach wie vor traditionelle Auffassung der nationalen Finanzverwaltung; zum anderen wird einzelfallabhängig untersucht werden müssen, ob ein synallagmatisches Verhältnis gegeben ist bzw. ob durch ein die Konventionalstrafe auslösendes Verhalten tatsächlich ein verbrauchsfähiger Nutzen entsteht

28.9.2022, Autoren: Mag. Simon Fiala und Mag. Sebastian Tratlehner, EY Law, Pelzmann Gall Größ Rechtsanwälte GmbH, www.eylaw.at