Am 12. September 2017 hat der EuGH sein (erstes) Urteil als DBA Schiedsgericht für das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Österreich und Deutschland (kurz „DBA-Ö/D) gefällt. Nach Art. 25 DBA-Ö/D entscheidet der EuGH auf Antrag des Steuerpflichtigen als Schiedsgericht, wenn die Vertragsstaaten nicht innerhalb einer Frist von 3 Jahren ab Verfahrenseinleitung zu einem Abschluss des Verständigungsverfahrens kommen. Im vorliegenden Fall wurde der Rechtsstreit zu Gunsten Österreichs entschieden.

Sachverhalt
Eine österreichische Bank erwarb von einer deutschen Bank Genussscheine, die Anspruch auf eine jährliche Ausschüttung nach einem festen Prozentsatz des Nennwerts gewährten. Die jährliche Ausschüttung verringerte sich insoweit, als diese beim Genussscheinemittenten zu einem Bilanzverlust führt. Die Genussscheine gewähren jedoch ein Nachzahlungsrecht für spätere Jahre, soweit durch diese Nachholung der Ausschüttung kein Bilanzverlust entsteht. Die Ausschüttungs- und Nachzahlungsbeträge haben Vorrang vor der Dotierung von Rücklagen sowie der Ausschüttung an die Gesellschafter. Die Genussscheine gewähren keine Beteiligung am Liquidationserlös des Emittenten.

Rechtsfrage
Strittig war, ob die Genussscheine als „Forderungen mit Gewinnbeteiligung“ im Sinne von Art. 11 Abs. 2 DBA Ö-D zu qualifizieren sind. Nach Art. 11 Abs. 1 DBA-Ö/D hätte Österreich das alleinige Besteuerungsrecht an den Zinsen gehabt, während nach Art. 11 Abs. 2 DBA-Ö/D Deutschland ebenfalls besteuern hätte dürfen und Österreich zur Anrechnung der deutschen Quellensteuer verpflichtet gewesen wäre.

Da der Qualifikationskonflikt im Rahmen eines Verständigungsverfahrens nicht erfolgreich beigelegt werden konnte, wurde der EuGH als Schiedsgericht angerufen.

Entscheidung des EuGH (C-648/15)
Laut deutschem BFH stellt die Vergütung der o.a. Genussscheine eine Gewinnbeteiligung dar, weshalb nach deutscher Ansicht Art. 11 Abs. 2 DBA-Ö/D auf den Sachverhalt anzuwenden ist. Laut EuGH ist der Begriff „Forderungen mit Gewinnbeteiligung“ jedoch nicht isoliert nach deutschem Steuerrecht auszulegen, sondern nach völkerrechtlichen Methoden.

Nach allgemeinem Sprachgebrauch sowie allgemein anerkannten Rechnungslegungsstandards bedeutet der Begriff „Gewinnbeteiligung“ die grundsätzliche Möglichkeit, an den positiven Jahresergebnissen einer Gesellschaft beteiligt zu werden. Die abkommensrechtliche Bezeichnung „Forderung mit Gewinnbeteiligung“ bezieht sich somit auf Finanzinstrumente, deren Vergütung sich zumindest teilweise in Abhängigkeit von der Höhe des Jahresgewinns des Schuldners ändert.

Als Ausnahmebestimmung zu Art. 11 Abs. 1 DBA-Ö/D ist Art. 11 Abs. 2 DBA-Ö/D nach Ansicht des EuGH zudem eng auszulegen. Da die fraglichen Genussscheine jedes Jahr in Höhe eines festen Prozentsatzes vergütet werden und über die jährlichen Zinsen hinaus zu keiner Beteiligung am Gewinn berechtigen, sind sie abkommensrechtlich nicht als „Forderungen mit Gewinnbeteiligung“ zu qualifizieren und daher unter Art. 11 Abs. 1 DBA-Ö/D zu subsumieren.

Fazit
Österreich hat nach der EuGH Entscheidung das alleinige Besteuerungsrecht an den Zinsen aus den fraglichen Genussscheinen. Hinsichtlich der Folgen aus dem Urteil (Rückerstattung der deutschen Quellensteuer) hat der EuGH die Rechtssache an die zuständigen österreichischen und deutschen Behörden zurückverwiesen, die in loyaler Zusammenarbeit die Konsequenzen aus dem vorliegenden Urteil zu ziehen haben.

18.9.2017, Autoren: Nikolaus Neubauer, Richard Jerabek, www.pwc.a