Gesamtwert der Investitionen in österreichische Start-ups im ersten Halbjahr sinkt im Vergleich zur Rekord-Vorjahresperiode nochmals um 60 Prozent. Zahl der Finanzierungsrunden klettert im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022 hingegen um 15 Prozent von 79 auf 91 – neue Rekordmarke. (Symbolbild: pixabay.com)

Nach drei Rekordhalbjahren zwischen 2021 und Mitte 2022 hat sich das Volumen, das Geldgeber:innen in Österreichs Start-ups investieren, auch in den ersten sechs Monaten 2023 reduziert. Eine Gesamtsumme von 356 Millionen Euro ist zwar ein Rückgang um 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, aber immer noch die größte lukrierte Summe mit Ausnahme der beiden Boom-Jahre. Eine starke Entwicklung gab es bei der Anzahl der Finanzierungsrunden, die entgegen dem internationalen Trend auf eine neue Bestmarke um rund 15 Prozent von 79 auf 91 gestiegen ist.

Die Finanzierungsrunden in Österreich sind im ersten Halbjahr dementsprechend kleiner geworden, Mega-Runden wie in den Vorjahren blieben diesmal die Ausnahme: So wurden nur noch zwei Finanzierungsrunden mit einem Volumen von mehr als 50 Millionen Euro gezählt, im Vorjahr waren es noch fünf. Der Rückgang bei großen Wachstumsrunden lässt sich auf die Zurückhaltung internationaler Investorengruppen zurückführen, weshalb auch erstmals seit Erhebungsbeginn weniger als die Hälfte (38 %) des Gesamtfinanzierungsvolumens von rein ausländisch besetzten Investorengruppen bereitgestellt wurden – im Vorjahr waren das noch 73 Prozent. Die Gesamtsumme, die rein ausländisch besetzte Investorengruppen in Österreichs Start-ups stecken, ist im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022 um 80 Prozent von 647 Millionen Euro auf 134 Millionen Euro gesunken.

Das sind die Ergebnisse des Start-up Investment Barometers der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY in Zusammenarbeit mit invest.austria, dem führenden Netzwerk für Investor:innen am vorbörslichen Kapitalmarkt in Österreich. Berücksichtigt wurden veröffentlichte Finanzierungsrunden in Unternehmen mit Hauptsitz in Österreich, deren Gründung höchstens zehn Jahre zurückliegt.

„Die aktuelle Entwicklung des Start-up-Ökosystems in Österreich hat zwei Seiten: Zum einen ist ein Anstieg der Finanzierungsrunden auf einen neuen Höchstwert in diesem herausfordernden Umfeld ein starkes Signal. Auf der anderen Seite gibt es, wie momentan überall auf der Welt, einen deutlichen Rückgang der Mega-Runden und Volumina, die in Österreich sehr stark von internationalen Investorengruppen getrieben sind. Deren aktuelle Zurückhaltung führt dazu, dass erstmals Geldgeber:innen mit Sitz in Österreich auch bei der Mehrheit der Finanzierungsrunden involviert waren. Ziel muss es sein, dass der Anteil der heimischen Investor:innen insbesondere bei Wachstumsfinanzierungen weiter steigt und auch dann noch hoch ist, wenn die Zurückhaltung großer internationaler Investorengruppen am Risikokapitalmarkt wieder mehr Risikofreude weicht“, so Florian Haas, Head of Start-up bei EY Österreich.

Österreichische Investor:innen deutlich aktiver
Während sich internationale Geldgeber:innen aktuell stark zurückhalten, zeigt sich bei österreichischen Geldgeber:innen ein gegensätzlicher Trend: Von den mindestens 213 öffentlich bekannten Investor:innen, die in heimische Start-ups investiert haben, kamen im ersten Halbjahr 2023 immerhin 141 – und damit zwei Drittel – aus Österreich. Das ist ein deutlicher Anstieg um rund 50 Prozent im Vergleich zu 2022, als der Anteil bei 54 Prozent lag. Am zweithäufigsten waren 2023 Investor:innen mit Hauptsitz in Deutschland vertreten (26). Es folgen Investor:innen aus den USA (11) und der Schweiz (9).

Dementsprechend hoch ist auch der Anteil an österreichischen Geldgeber:innen: An 70 Prozent der Finanzierungsrunden, bei denen Angaben zu den beteiligten Investorengruppen veröffentlicht wurden, waren heimische Investor:innen beteiligt. 42 Prozent wurden sogar rein von heimischen Investor:innen getragen. Mit 38 Prozent liegt der Anteil von rein international besetzten Investorengruppen auf dem niedrigsten Stand seit Erhebungsbeginn und deutlich unter 2022 (73 %) und 2021 (90 %).

Je größer die Runde, desto geringer der Anteil an österreichischen Geldgeber:innen
Der hohe Anteil an heimischen Investor:innen im ersten Halbjahr 2023 ist neben dem Rückgang an großen Finanzierungsrunden im zweistelligen Millionenbereich auch auf einen deutlichen Anstieg im Frühphasenbereich von bis zu einer Million Euro zurückzuführen. Hier nahmen 55 heimische Start-ups frisches Kapital auf – um ein Viertel mehr als im ersten Halbjahr 2022.

Bei frühphasigen Investmentrunden sind dementsprechend auch klar heimische Investorengruppen führend: In Pre-Seed- (73 %) und Seed-Finanzierungsrunden (75 %), bei denen Angaben zu Investor:innen und der Art der Finanzierungsrunde bekannt sind, stellten sie jeweils rund drei Viertel der Kapitalgeber:innen. Das ändert sich, sobald es von der Anschub- zur Wachstumsfinanzierung geht: Bei Finanzierungsrunden ab Series-A liegt der Anteil unter 50 Prozent.

Dementsprechend ist auch der durchschnittliche Anteil inländischer Investor:innen bei den 32 registrierten Seed-Finanzierungsrunden am höchsten: Hier haben durchschnittlich gut zwei von drei Investor:innen (69 %) ihren Hauptsitz in Österreich. Bei Pre-Seed-Runden liegt dieser Anteil bei 50 Prozent. Bei den zwölf höheren Finanzierungsrunden (Series A, Series B und Series C) hingegen ist jeweils nur durchschnittlich rund jede:r dritte Investor:in aus Österreich.

„Die Anschubfinanzierung funktioniert in Österreich traditionell sehr gut und hat sich auch im schwierigen ersten Halbjahr 2023 hervorragend entwickelt: Mehr heimische Investor:innen denn je haben in mehr heimische Start-ups denn je finanziert. Die Kehrseite der Medaille: Ohne internationale Investorengruppen sind Wachstumsfinanzierungen immer noch schwer oder gar nicht zu stemmen, was gerade Scale-ups in eine schwierige Situation bringt. Nur eine nachhaltige Stärkung des heimischen Kapitalmarkts und dringend notwendige Anreize für Risikokapital-Investitionen von Privatpersonen und institutionellen Investor:innen können langfristig internationales Wachstum antreiben“, so Haas.

„Die gestiegenen Finanzierungsrunden mit heimischen Investor:innen beweisen zwar, dass wir trotz der schwierigen Rahmenbedingungen in Österreich aktive Investor:innen und interessante innovative Start-ups haben. Allerdings dürfen wir uns von den positiven Zahlen keinesfalls täuschen lassen, denn es mussten auch zahlreiche Zwischenfinanzierungsrunden in den Bestandsportfolios der heimischen Investor:innen getätigt werden, da die großen Kapitalgeber:innen im Moment rar sind. Dies betont, wie wichtig ein attraktiver Fondsstandort Österreich wäre, um vermehrt internationales Kapital nach Österreich zu bringen“, kommentiert Daniela Haunstein, Managing Director von invest.austria.

„Außerdem ist es volkswirtschaftlich essenziell, durch die Schaffung von steuerlichen Anreizsystemen für privates Risikokapital nach internationalem Vorbild, das in Österreich vorhandene private Kapital zu mobilisieren und in wichtige Zukunftsthemen zu lenken. Nur durch ausreichende Finanzierung für alle innovativen Projekte und Start-ups, insbesondere in den Bereichen Energie, Gesundheit, Umwelt und IT, kann eine autonome und nachhaltige Zukunft des Landes sichergestellt werden“, so Haunstein.

Bei den insgesamt sechs Finanzierungsrunden mit einem Finanzierungsumfang von mehr als zehn Millionen Euro, bei denen Angaben zu den Investor:innen vorliegen, lag die Quote inländischer Kapitalgeber:innen bei insgesamt 43 Prozent. Anders bei den kleineren (bis eine Million Euro) und mittelgroßen (zwischen einer und zehn Millionen Euro) Finanzierungsrunden: Bei den kleineren Finanzierungsrunden lag die Quote der inländischen Investor:innen bei 74 Prozent und bei den mittelgroßen Abschlüssen lag die Quote inländischer Kapitalgeber:innen noch bei 62 Prozent.

Österreichische Geldgeber:innen investieren in FinTech und Software
Am höchsten war im ersten Halbjahr 2023 der Anteil an Inlandsinvestor:innen im Bereich FinTech/InsurTech, wo 75 Prozent der beteiligten Kapitalgeber:innen ihren Hauptsitz in Österreich haben. Außerdem waren hier bei sechs der insgesamt acht Deals Geldgeber:innen aus dem Inland beteiligt. Ebenfalls überdurchschnittlich hoch lag die Quote der Inlandsinvestor:innen in den Bereichen E-Commerce und Software & Analytics mit jeweils 71 Prozent. Am niedrigsten war im ersten Halbjahr 2023 der Anteil der österreichischen Geldgeber:innen im Bereich Media & Entertainment: Hier befand sich bei den drei Deals unter den beteiligten drei Investor:innen kein:e einzige:r Kapitalgeber:in aus Österreich.

3.8.2023, Autor/Quelle: Ernst & Young Wirtschaftsprüfungsgesellschaft m.b.H., www.ey.com