Weiter hohes Wachstumstempo in Österreich bei abnehmender Dynamik – Unternehmen überwiegend optimistisch, aber: Österreichs Unternehmen brauchen rasche und effiziente Reformen. Dazu zählen jedenfalls die Senkung der Lohnnebenkosten und Investitionsförderung. (Bild: pixabay.com)

Nach dem starken Einbruch infolge der Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie im Frühjahr setzt die österreichische Wirtschaft die zur Jahresmitte begonnene Erholung zu Herbstbeginn fort. „Der UniCredit Bank Austria Konjunkturindikator ist im August um 0,8 auf minus 1,4 Punkte gestiegen“, sagt UniCredit Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer. „Das neuerlich deutliche Plus signalisiert das hohe Wachstumstempo der österreichischen Wirtschaft. Allerdings nimmt die Dynamik schrittweise ab. Erstmals seit dem Ende des Lockdowns verbesserte sich der Indikator um weniger als einen Punkt gegenüber dem Vormonat. Es zeichnet sich klar ab, dass die Wachstumszuwächse, die sich aus der Wiedereröffnung der Wirtschaft ergeben haben, mittlerweile weitgehend aufgebraucht worden sind und für die weitere Erholung der Wirtschaft einiger Gegenwind besteht. Dies wird sich in den kommenden Monaten in einem geringeren Tempo der Erholung niederschlagen.“

Die Detaildaten des aktuellen UniCredit Bank Austria Konjunkturindikators zeigen die ersten Anzeichen einer Ermüdung der Erholung gegen Ende des dritten Quartals bereits an. Nach der raschen Verbesserung nach der Wiederöffnung der Wirtschaft hat die Stimmung der Verbraucher mittlerweile den zweiten Monat in Folge einen Rückschlag erlitten. Steigende Infektionszahlen erhöhen die Verunsicherung hinsichtlich einer Normalisierung des Wirtschaftslebens und die ungebrochen angespannte Lage am Arbeitsmarkt verfestigt die Zurückhaltung insbesondere bei der Anschaffung langlebiger Konsumgüter. Nachdem die Bauwirtschaft früh und sehr rasch hochgefahren wurde, hat sich hier die beinahe überschießende Hochstimmung wieder gelegt. Nach dem zweiten Dämpfer in Folge herrscht am Bau im August jedoch weiterhin eine optimistische Grundstimmung vor.

„Während sich die Stimmung am Bau und der Konsumenten im August wieder verschlechtert hat, verstärkten sich jüngst die Signale einer Belebung der internationalen Konjunktur mit einer deutlichen Verbesserung des österreichischen Exportumfelds“, berichtet Bruckbauer. „Von diesem Rückenwind profitiert die heimische Industriestimmung bislang allerdings nur in kleinen Aufwärtsschritten. Dagegen hat die Lockerung der Maßnahmen gegen die Pandemie in einigen Dienstleistungsbranchen im August zunehmend für Hoffnung gesorgt.“

BIP-Prognose für 2020 angehoben
Mit der raschen Öffnung der Geschäfte und der Lockerung der sozialen Distanzierungsmaßnahmen erholte sich die Konsumnachfrage nach dem Tief im April spürbar, da durch Kurzarbeit und umfangreiche soziale Transfers die Einkommenseinbußen in Grenzen gehalten werden konnten. Zudem sorgte der bestehende Nachholbedarf für viel Schwung, gestützt auf die während des Lockdowns angesammelten Ersparnisse. Im Schlepptau der Nachfrageerholung verbesserte sich auch die Lage in Industrie und Gewerbe zumal staatliche Garantien und eine sehr unterstützende Geldpolitik die Bereitstellung von Bankkrediten gefördert und sehr günstige Finanzierungsbedingungen erhalten haben.

„Durch den relativ kurzen Lockdown und die darauf folgende rasche Öffnung der Wirtschaft fiel der Einbruch der Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal 2020 in Österreich geringer aus als erwartet. „Die fiskal- und geldpolitischen Unterstützungsmaßnahmen haben erwartungsgemäß die Grundlage für eine starke Belebung der Wirtschaft im dritten Quartal geschaffen – wir haben daher unsere BIP-Prognose für 2020 von –8 auf –6,3 Prozent angehoben“, so UniCredit Bank Austria Ökonom Walter Pudschedl. Damit wird der Rückgang der Wirtschaftsleistung 2020 deutlich höher ausfallen als während der Finanzkrise. 2009 sank das BIP in Österreich um real 3,8 Prozent.

Der leichte Teil der Rückkehr zu alter wirtschaftlicher Stärke ist weitgehend erledigt. Die jüngsten Stimmungsindikatoren und realwirtschaftliche Daten weisen auf Gegenwind hin. „Wir sind hinsichtlich des Tempos der Erholung zum Jahreswechsel vorsichtiger geworden“, kommentiert Pudschedl. „Zum einen besteht wegen des schwächeren Wirtschaftseinbruchs weniger Spielraum beim Aufschwung und zum anderen ist die Zahl der Neuinfektionen früher als erwartet wieder gestiegen. Wir haben unsere Wachstumsprognose für 2021 von fast 7 auf 5 Prozent gesenkt.“ Die Prognose basiert auf der Annahme, dass es zwar zu keinem nationalen Lockdown kommt, jedoch zumindest bis zum Frühjahr mit lokalen Beschränkungen zu rechnen sein wird. Jedenfalls werden die Folgen der Pandemie weiterhin spürbar sein und Ende 2021 wird die österreichische Wirtschaft das Auslastungsniveau von vor der Coronakrise noch nicht erreichen.

Arbeitslosenquote Ende 2020 noch bei 9,5 Prozent
Die Entspannung der Lage am österreichischen Arbeitsmarkt hat sich mittlerweile verlangsamt. Der weitere Rückgang der Arbeitslosenquote wird sich schwieriger gestalten, zumal vielen Branchen durch die Pandemiemaßnahmen wirtschaftlich belastet sind. Bei einigen Unternehmen wird das Kurzarbeitsprogramm als Überbrückungshilfe der Coronakrise nicht ausreichen, sodass mit Betriebsschließungen und Personalabbau gerechnet werden muss.

„Der laufende Verbesserungstrend am österreichischen Arbeitsmarkt wird sich in den kommenden Monaten weiter verlangsamen. Nach durchschnittlich 10 Prozent im Jahr 2020 erwarten wir für das kommende Jahr eine Arbeitslosenquote von zumindest 8 Prozent“, meint Pudschedl. Damit wird die Arbeitslosenquote 2021 noch deutlich höher sein als vor dem Ausbruch der Coronakrise. Zu Jahresbeginn 2020 war die saisonbereinigte Arbeitslosenquote auf fast 7 Prozent gefallen.

Mit Beginn des zweiten Halbjahres 2020 stieg die Teuerung in Österreich spürbar an. Trotz des gesamtwirtschaftlichen Nachfrageausfalls bedingt durch die Pandemie kam es vor allem in von der Krise besonders betroffenen Bereichen, wie dem Handel, den Bewirtungsdienstleistungen und der Freizeitwirtschaft kaum zu der erwarteten Inflationsdämpfung. Stattdessen wurden zusätzliche Kosten etwa durch Hygienemaßnahmen auf die Preise überwälzt. „In den kommenden Monaten wird die Inflation im Spannungsfeld zwischen einerseits niedrigem Ölpreis und Nachfrageausfall sowie andererseits den höheren Kosten durch die „Coronakrise“ bestimmt werden“, erklärt Stefan Bruckbauer. „Wir gehen davon aus, dass sich die Teuerung bis zum Jahresende relativ stabil um 1,5 Prozent bewegen wird und haben unsere Erwartung für den Jahresdurchschnitt 2020 von 1,1 auf 1,4 Prozent angehoben.“

Die Prognose für die nächsten Monate
Da von keiner wesentlichen Veränderung des aktuell niedrigen Erdölpreises auszugehen ist, wird bis knapp über den Jahreswechsel 2020/21 von diesem ein dämpfender Effekt auf die Inflation ausgehen. Ab dem Frühjahr 2021 wird der dämpfende Effekt jedoch voraussichtlich auslaufen. Zudem dürfte die seit 1. Juli 2020 geltende Reduktion der Umsatzsteuer auf vor Ort verzehrte Speisen und Getränke bzw. kulturelle Veranstaltungen auf fünf Prozent nicht verlängert werden, was zusätzlichen Preisauftrieb verursachen könnte.

Wenn auch die Zulassung eines Impfstoffs im ersten Halbjahr 2021 schrittweise zur Normalisierung des öffentlichen Lebens führen könnte, wird es noch einige Zeit dauern, bis sich die Konsumnachfrage wieder voll entfalten können wird. Auch wird die wirtschaftliche Unsicherheit sowie die nur langsame Entspannung der Lage am Arbeitsmarkt die Nachfrage noch längere Zeit beschränken. Daher wird von der Nachfrageseite zwar 2021 im Vergleich zu 2020 ein stärkerer Druck auf höhere Preise ausgehen, dennoch ist für 2021 nach Einschätzung der Ökonomen der UniCredit Bank Austria nur eine moderate Aufwärtsentwicklung der Teuerung auf durchschnittlich 1,6 Prozent zu erwarten.

Da sich die Inflation im Euroraum dagegen bis zum Jahresende 2020 um die Nulllinie herum bewegen dürfte, wird die Europäische Zentralbank ihren expansiven geldpolitischen Kurs fortsetzen. „Die niedrigen Inflationserwartungen und das Risiko einer weiteren Aufwertung des Euro dürfte zu einer Aufstockung des Notfallkaufprogramms PEPP der EZB führen“, erwartet Bruckbauer. „Wir gehen von einer Ausweitung um 500 Milliarden Euro bis Ende 2021 aus. Eine Zinssenkung erwarten wir aus heutiger Sicht jedoch nicht.“

Überwiegender Optimismus im eigenen Betrieb
Da die Corona-Pandemie den österreichischen Unternehmen in den letzten Monaten einiges abverlangt hat, schätzen diese laut einer aktuellen Studie von Deloitte und SORA die Stimmung am Markt doch entsprechend verhalten ein. Innerhalb des eigenen Betriebes überwiegt jedoch der Optimismus. Gleichzeitig gibt es einen großen Wunsch nach Veränderung: Die Unternehmen fordern nachhaltige Maßnahmen und wollen keine Rückkehr zu alten Mustern. Die Senkung der Lohnnebenkosten ist die nachdrücklichste Forderung. Außerdem stehen die langfristige Flexibilisierung der Arbeitswelt und die Ökologisierung des Steuersystems im Fokus. Denn auch in der durch COVID-19 ausgelösten Krise ist der Klimawandel nicht aus den Köpfen der Führungskräfte verschwunden – ganz im Gegenteil.

Mehr als die Hälfte der 614 befragten Führungskräfte glaubt, dass es ihren Kunden und ihrer Branche aktuell eher schlecht geht. „Mitten in der Corona-Krise haben die österreichischen Unternehmen ihren Optimismus nicht verloren – das ist eine erfreuliche Überraschung“, erklärt dazu SORA-Geschäftsführer Christoph Hofinger. „Dennoch nimmt die Sorge um die Marktentwicklung spürbar zu. Die Unternehmen verengen in dieser Situation aber nicht ihren Horizont, sondern sind bereit für nachhaltige Veränderungen.“

Reformbedarf
In puncto regulatorisches Umfeld belegt die Studie: Am wichtigsten sind den österreichischen Unternehmen jetzt Reformen, die ihre Wirkung direkt im Betrieb entfalten. Neun von zehn Befragten fordern eine Senkung der Lohnnebenkosten (95%), eine steuerliche Entlastung nicht entnommener Gewinne (92%) sowie Vereinfachungen bei Förderungen (90%). Im Gegenzug zu diesen Erleichterungen würde die Mehrheit dafür auch andere Abgaben akzeptieren – allen voran im Energiebereich.

„Akuthilfen machen Sinn und bringen kurzfristige Lösungen“, kommentiert Bernhard Gröhs, CEO von Deloitte Österreich. „Langfristig braucht es aber nachhaltige Maßnahmen wie die Senkung der Lohnnebenkosten und die nachhaltige Förderung von Investitionen. Diese Forderungen sind lange bekannt, brennen aber jetzt besonders unter den Nägeln.“ Mehr als die Hälfte der Unternehmen ist laut Umfrage bereit, auch selbst zu investieren: In die Qualifizierung ihrer Mitarbeiter, in die Digitalisierung sowie in die Umsetzung von Umweltmaßnahmen.

Allerdings haben die Krisenmonate Spuren hinterlassen. Im Vorjahr waren nur 24% über die Umsatz- und Gewinnentwicklung besorgt, heuer sind es ganze 52%. Dennoch sehen 57% der generellen Entwicklung des eigenen Betriebes eher zuversichtlich entgegen. Hinsichtlich des internationalen Umfelds und der globalen Herausforderungen zeigen sich die Unternehmen dagegen sorgenvoll. Das meiste Kopfzerbrechen bereiten die sozialen Folgen der Covid-19-Krise (75%) und die mittelfristige Konjunkturschwäche (70%). Und auch wenn die Corona-Krise allgegenwärtig ist – der Klimawandel ist nicht aus den Köpfen verschwunden. Er stellt für mehr als zwei Drittel (68%) der Befragten eine Sorge dar. Das bedeutet im Vergleich zum Vorjahr sogar einen Anstieg um 16 Prozentpunkte.

Die Wirtschaft wird (noch) flexibler
Viele Folgen der Corona-Krise werden die österreichische Wirtschaft laut den Befragten noch länger begleiten. So hat die Pandemie langfristige Auswirkungen auf Arbeitsprozesse und die Unternehmenskultur: Home Office, Online-Meetings und mehr Selbstverantwortung werden auch in Zukunft bleiben. 74% rechnen mit einer langfristigen Zunahme der Flexibilität in der Belegschaft hinsichtlich ihrer Arbeitsweisen und Aufgaben, 70% erwarten auch flexiblere betriebliche Strukturen. Gesundheitsfördernde Maßnahmen rücken bei 69% in den Fokus.

9.10.2020 / Autor: Paul Christian Jezek / p.jezek@lex-press.at