Politische Einigung von 136 Staaten auf Pillar One und Pillar Two. (Symbolbild: pixabay.com / Montage)

Bereits 136 Staaten von den 140 Mitgliedern des Inclusive Frameworks der OECD/G20 haben am 8. Oktober 2021 der globalen Körperschaftssteuerreform, die auf den beiden Säulen „Pillar One“ (P1) und „Pillar Two“ (P2) beruht, zugestimmt. Nun sind von den EU-Mitgliedstaaten auch Irland, Ungarn und Estland an Bord, während Zypern – als einziger Mitgliedstaat Europas – dem neuen internationalen Körperschaftsteuersystem noch nicht zugestimmt hat. Die OECD hat im Rahmen dieser Einigung einige neue Details sowie einen konkreten Plan für die Implementierung der globalen Steuerreform veröffentlicht.

Die wesentlichen Neuerungen zu Pillar 1
Pillar 1 zielt darauf ab, die Besteuerungsrechte der sogenannten market jurisdictions (Marktstaaten) zu erweitern. Dies bedeutet, dass den jeweiligen Staaten ein Besteuerungsrecht zustehen wird, wenn ein Unternehmen in diesem Staat eine Geschäftsaktivität ausübt, ohne notwendigerweise in diesem Staat eine physische Präsenz (Gesellschaft oder Betriebsstätte) zu haben. Pillar 1 besteht dabei aus drei Elementen: (1) ein neues Besteuerungsrecht eines Marktstaates auf der Grundlage eines Anteils am Residualgewinn eines Unternehmens („Amount A“), (2) eine fixe Rendite für Routine-Marketing- und Vertriebstätigkeiten („Amount B“) und (3) Streitvermeidungs- und Streitbeilegungsmechanismen.

In Bezug auf Amount A werden nun folgende neue Details veröffentlicht:

  • Zwei Branchen bleiben weiterhin von dem Amount A ausgenommen: die Rohstoffindustrie und die regulierten Finanzdienstleistungen.
  • In den Anwendungsbereich von Amount A fallen multinationale Unternehmen mit einer Rentabilität von über 10% und einem weltweiten Umsatz von über EUR 20 Milliarden. Die Rentabilität bezieht sich hierbei auf das Ergebnis vor Steuern im Verhältnis zum Umsatz auf konsolidierter Gruppenebene („financial accounting income“). Weiters wurden die Regeln für den Anwendungsbereich dahingehend angepasst, dass die Rentabilität anhand eines Durchschnitts berechnet wird. Somit wurden die Regeln für den Geltungsbereich geändert, aber es ist noch unklar, wie die genaue Berechnung vorzunehmen ist.
  • Der auf die Marktstaaten umzuverteilende Gewinn bemisst sich auf 25% des Residualgewinns, dh der Gewinnanteil, der eine Rentabilität von 10% übersteigt.
  • Es wird eine neue Sonderregelung für den Nexus geben, die die Zuweisung von Amount A an einen Markstaat erlaubt, wenn das betroffene multinationale Unternehmen mindestens EUR 1 Million an Umsatzerlöse aus diesem Staat erzielt. Für kleinere Länder mit einem BIP von weniger als EUR 40 Milliarden wird der Nexus auf EUR 250.000 festgelegt.
  • In Bezug auf die Zuweisung von Amount A wird darauf hingewiesen, dass die Einnahmen grundsätzlich in den Marktstaaten der Endverbraucher (end market jurisdiction) erzielt werden (d.h. in denen die Waren oder Dienstleistungen genutzt oder verbraucht werden). Dafür müssen jedoch noch detaillierte Regelungen für bestimmte Arten von Transaktionen entwickelt werden, da bei einigen B2B-Aktivitäten nicht klar ist, wie der Begriff „Endmarkt“ zu definieren ist.
  • In Bezug auf Amount A wird eine Gewinnschwelle (Safe Harbour) für Marketing- und Vertriebsaktivitäten festgelegt, sofern der Residualgewinn einem Marktstaat bereits zugeordnet wird und einer Besteuerung unterliegt. Diese Gewinnschwelle ist dann als Obergrenze zur Bestimmung des Amount A heranzuziehen.
  • Für bestimmte Entwicklungsländer wird ein verbindlicher Streitbeilegungsmechanismus für Fragen des Amount A zur Verfügung stehen.
  • Die Umsetzung von Amount A wird durch ein multilaterales Übereinkommen erfolgen, welches im Jahr 2022 unterzeichnet werden und im Jahr 2023 in Kraft treten soll. Die Einzelheiten sind in einem Anhang zu der Erklärung der OECD aufgeführt.
  • Unter dem multilateralen Übereinkommen werden alle Parteien dazu verpflichtet, sämtliche Steuern auf digitale Dienstleistungen sowie andere einschlägige Maßnahmen für Unternehmen abzuschaffen und solche Maßnahmen in Zukunft auch nicht mehr einzuführen.

Die wesentlichen Neuerungen zu Pillar 2
Pillar 2 soll eine globale Mindestbesteuerung großer, international tätiger Unternehmensgruppen sicherstellen und dadurch verbliebene BEPS-Schlupflöcher schließen. In den Anwendungsbereich der vorgeschlagenen Mindeststeuer sollen multinationale Unternehmensgruppen mit einem konsolidierten Jahresumsatz von mindestens EUR 750 Mio fallen (entspricht der Schwelle für das CbC-Reporting). Zu den nun festgelegten Eckpunkten des globalen Mindestbesteuerungskonzepts zählen:

  • Der globale Mindeststeuersatz wurde nun ausdrücklich mit 15% als Obergrenze festgesetzt. Bei Implementierung in eine EU-Richtlinie ist kein höherer Mindeststeuersatz als 15% vorgesehen.
  • Nun ist eine betragliche Substanzausnahme vorgesehen, wonach in der Berechnung des Effektivsteuersatzes ein Betrag in Höhe von 8% der körperlichen Wirtschaftsgüter sowie 10% der Lohnkosten aus der Bemessungsgrunde ausgeklammert werden soll. Innerhalb einer 10-jährigen Übergangsphase sollen sich die Prozentsätze auf einheitlich 5% reduzieren.
  • Die OECD sieht eine De-minimis Regelung vor, die jene Staaten von der globalen Mindestbesteuerung ausnimmt, in denen multinationale Konzerne weniger als EUR 10 Million Umsatzerlöse und weniger als EUR 1 Million Gewinn erwirtschaften.
  • Bei der undertaxed payments rule können die Staaten frei entscheiden, ob ein Abzugsverbot für oder eine (Quellen-)Steuer auf Zahlungen an die niedrigbesteuerte Gesellschaft zur Anwendung gelangen soll. Inwiefern hier eine konsistente Anwendung gewährleistet werden kann, bleibt offen.
  • Die Subject to tax rule soll auf Abkommensebene bei konzerninternen Zins- sowie Lizenzzahlungen und anderen bestimmten Zahlungen zwischen Entwicklungsländern und Staaten mit einen nominellen Regelsteuersatz niedriger als neun Prozent anwendbar sein. Dies ermöglicht den Entwicklungsländern eine Quellensteuer in Höhe der Differenz auf diesen 9%-igen Mindeststeuersatz. Diese Regelung dürfte in dieser Form somit nur einen sehr eingeschränkten Anwendungsbereich haben.
  • Allerdings sind auch nach dieser Einigung noch zahlreiche gar nicht einfach zu lösende Detailfragen der technischen Ausgestaltung offen, insbesondere welche körperlichen Wirtschaftsgüter und Lohnkosten von der Substanzausnahme erfasst sind oder wie bei der Berechnung des effektiven Steuersatzes permanente und temporäre Differenzen zwischen dem steuerlichen und unternehmensrechtlichen Ergebnis zu berücksichtigen sind.

Ausblick der globalen Steuerreform

  • Wenn die Umsetzung von Pillar 1 erfolgreich ist und eine ausreichende Steuersicherheit erreicht wird, kann der Schwellenwert von EUR 20 Milliarden nach 7 Jahren auf EUR 10 Milliarden gesenkt werden.
  • Die vorliegende Erklärung ist im Hinblick auf einige der wichtigsten Gestaltungsmerkmale sehr allgemein gehalten. Die noch zu erläuternden Elemente von Pillar 1 betreffen die Identifizierung der surrendering entities (d.h. wie die „zahlende Gesellschaft“ bestimmt wird, die die den Marktstaaten zugewiesenen Beträge freistellen oder anrechnen muss), den Safe Harbour für Marketing- und Vertriebstätigkeiten, die detaillierten Berechnungen und die verbindlichen Streitvermeidungs- und Streitbeilegungsmechanismen.
  • Die OECD weist darauf hin, dass die Überarbeitung von Amount B (fremdübliche fixe Rendite für Routine-Marketing- und Vertriebstätigkeiten) bis Ende 2022 abgeschlossen sein wird.
  • Dies bedeutet, dass die Mitglieder des Inclusive Frameworks der OECD/G20 weiter daran arbeiten werden, eine Einigung über einige der wichtigsten Inhalte von Pillar 1 zu erzielen, wobei andere Bestandteile für Anfang, Mitte oder Ende 2022 vorgesehen sind.
  • Auch wenn schon viel erreicht wurde, ist es schwer vorstellbar, dass Pillar 1 Anfang 2023 in Kraft treten könnte. Das multilaterale Übereinkommen wirft zum Beispiel einige äußerst schwierige technische Fragen auf, die vor einer Umsetzung zu klären sind. Ungeachtet der derzeitigen Ankündigung besteht also immer noch ein hohes Maß an Ungewissheit über die weiteren Entwicklungen.
  • Die OECD plant die technischen Details des globalen Mindestbesteuerungsregimes im Laufe des noch verbleibenden Jahres zu lösen. Die von der OECD erarbeiteten Musterregelungen sollen 2022 in der EU durch eine verbindliche Richtlinie umgesetzt werden. Die OECD verfolgt die ambitionierte Idee, dass die globale Mindestbesteuerung bis 2023 in Kraft treten soll.
  • Es zeichnet sich somit deutlich ab, dass es zu wesentlichen Änderungen im internationalen Besteuerungskonzept von Großunternehmen kommen wird, wobei zahlreiche und entscheidende technische Detailfragen der konkreten Regelungen von den politischen Verhandlungen in den kommenden Monaten maßgeblich abhängen werden.

21.10.2021 / Autorin und Autoren: Marianna Dozsa, Oliver Kost und Martin Jann / PwC Österreich GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft / www.pwc.at