Als Finanzierungsquellen gesellschaftlicher Geschäftstätigkeiten kommen neben den verschiedenen Formen des Fremd- und Eigenkapitals insbesondere auch als Eigenmittel einzuordnende Nachschüsse durch Gesellschafter einer GmbH in Frage. Zu deren Ausnutzung ist aus rechtlicher Sicht zunächst eine entsprechende Nachschussverpflichtung im Gesellschaftsvertrag der GmbH vorzusehen. Eine konkrete Nachschussverbindlichkeit der Gesellschafter (und damit eine aktivierungsfähige Forderung der GmbH) entsteht sodann erst als Folge eines entsprechenden – mangels abweichender Vereinbarung – mit einfacher Stimmenmehrheit zu fassenden Gesellschafterbeschlusses; ein solcher Einforderungsbeschluss hat somit konstitutive Wirkung.

Bei gründungsprivilegierten GmbHs sind lediglich die “gründungsprivilegierten Stammeinlagen” voll einzufordern, um eine Nachschusspflicht durchsetzen zu können. (© pixabay)

In der Entscheidung zu GZ 6Ob 194/17y setzt sich der Oberste Gerichtshof (OGH) mit der Frage auseinander, ob im Fall einer gründungsprivilegierten GmbH die Einforderung von Nachschüssen erst nach vollständiger Einzahlung der Stammeinlagen zulässig ist. Zudem stellt der OGH auch Überlegungen zur Höhe der Nachschusspflicht an.

Ausgangsfall
Die Beklagte ist eine von insgesamt vier Gesellschaftern der klagsführenden gründungsprivilegierten GmbH und hält eine Beteiligung von 28% (entspricht einer Stammeinlage von EUR 9.800) an der GmbH. Das Stammkapital der GmbH beträgt EUR 35.000, das gründungsprivilegierte Stammkapital in Höhe von EUR 10.000 ist von den Gesellschaftern entsprechend ihrer jeweiligen Beteiligung zur Gänze bar geleistet worden. Der Gesellschaftsvertrag enthält eine Bestimmung zu Nachschüssen, wonach die Gesellschafter über die Beträge der Stammeinlagen hinaus Nachschüsse bis zum Höchstbetrag des Doppelten an der jeweils übernommenen Stammeinlage beschließen können. Die Einzahlung des durch Gesellschafterbeschluss eingeforderten Nachschusses in Höhe der jeweils übernommenen Stammeinlage verweigerte die Beklagte mit der Begründung, dass der Gesellschaftsvertrag keine Ermächtigung enthalte, Nachschüsse vor der vollständigen Einzahlung der Stammeinlagen einzufordern.

Modalitäten der Nachschusspflicht
Hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Stammeinlagen und der Einforderung von Nachschüssen geht der OGH für den vorliegenden Fall von seiner bisherigen Rechtsprechung ab, wonach die Einforderung von Nachschüssen erst nach vollständiger Einzahlung der Stammeinlagen zulässig sei. § 63 Abs 1 GmbHG sieht grundsätzlich die Verpflichtung zur Volleinzahlung der übernommenen Stammeinlage vor. Abweichend davon sind Gesellschafter allerdings gemäß § 10b Abs 4 GmbHG während aufrechter Gründungsprivilegierung nur insoweit zu weiteren Einzahlungen auf die von ihnen übernommenen Stammeinlagen verpflichtet, als die bereits geleisteten Einzahlungen hinter den gründungsprivilegierten Stammeinlagen zurückbleiben. Daraus schließt der OGH, dass die Gesellschafter während aufrechter Gründungsprivilegierung nur zur Einzahlung der gründungsprivilegierten Stammeinlagen verpflichtet sind. Die Differenz zwischen gründungsprivilegierter Stammeinlage und übernommener Stammeinlage sei also während der Gründungsprivilegierung nicht fällig und kann auch nicht fällig gestellt werden, wenngleich auch bei der gründungsprivilegierten GmbH die gesamten übernommenen Stammeinlagen mit dem wirksamen Abschluss des Gesellschaftsvertrags bereits entstanden sind. Die herrschende Rechtsansicht, wonach vor der Einforderung von Nachschüssen zunächst die offenen Stammeinlagen einzufordern (beachte: nicht einzuzahlen) sind, treffe daher nur für solche Stammeinlagen zu, die auch tatsächlich eingefordert werden können – dies gelte gemäß § 10b Abs 4 GmbHG gerade nicht für die gründungsprivilegierten Stammeinlagen übersteigende Stammeinlagen während der Gründungsprivilegierung. Daher sei eine Durchsetzung der Nachschusspflicht bei einer gründungsprivilegierten GmbH bereits nach voller Einforderung der gründungsprivilegierten Stammeinlagen möglich.

Höhe der Nachschusspflicht
Gemäß § 72 Abs 2 GmbHG muss die Nachschusspflicht auf einen nach Verhältnis der Stammeinlagen bestimmten Betrag beschränkt werden (gegenständlich das Doppelte der “übernommenen Stammeinlage”). Nach Ansicht des OGH zeige bereits der Wortlaut des § 10b GmbHG, welcher zwischen “übernommener Stammeinlage” und “gründungsprivilegierter Stammeinlage” unterscheidet, dass Bezugspunkt für die konkrete Höhe der Nachschusspflicht nur der volle Betrag der übernommenen Stammeinlage (i.e. EUR 9.800) und nicht der niedrigere Betrag der “gründungsprivilegierten Stammeinlage” sein kann.

Fazit
Mit der vorliegenden Entscheidung stellt der OGH klar, dass bei gründungsprivilegierten GmbHs lediglich die “gründungsprivilegierten Stammeinlagen” voll einzufordern sind, um eine Nachschusspflicht durchsetzen zu können. Dem Ergebnis des OGH ist auch aus praktischen Gesichtspunkten beizupflichten – eine anderweitige Sichtweise (Möglichkeit von Nachschüssen erst nach Volleinforderung bzw Volleinzahlung der “übernommenen Stammeinlagen”) würde das Finanzierungsrepertoire während der Gründungsprivilegierung wohl unverhältnismäßig einschränken, weil der Gesellschaft diesfalls lediglich eine Kapitalerhöhung oder Fremdfinanzierungsmittel zur Verfügung stünden.

13.2.2018, Autor: Markus Reinfeld / Jank Weiler Operenyi Rechtsanwälte / www.jankweiler.at