Die Neuregelung des Datenschutzes in Bezug auf Medienunternehmen könnte eine künftige Berichterstattung im Einzelfall mehr als bisher einschränken. (Symbolbild: pixabay.com)

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat mit seinem Erkenntnis vom 14.12.2022 § 9 Abs 1 des Datenschutzgesetzes (DSG) als verfassungswidrig aufgehoben. Nach dem sogenannten „Medienprivileg“ sind Medienunternehmen und ihre Mitarbeiter bisher bei der Ausübung ihrer journalistischen Tätigkeit von den datenschutzrechtlichen Bestimmungen weitgehend ausgenommen. Das brachte Betroffene in die unangenehme Situation, dass sich die Datenschutzbehörde (DSB) in solchen Fällen für unzuständig erklärte. Der VfGH anerkannte zwar die wichtige Rolle der Medien als „public watchdog“, entschied aber klar zugunsten des Datenschutzes. Der Gesetzgeber hat nun bis Mitte 2024 Zeit, eine ausgewogene neue Regelung zu schaffen.

Ausgangslage und Vorverfahren
Die Initiative zur Gesetzesprüfung ging vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) aus, und zwar infolge zweier Beschwerden:

Im ersten Fall hatte sich ein Betroffener zuvor bei der DSB beschwert, weil ein Medienunternehmen auf seiner Webseite ein ungeschwärztes Bild seiner Visitenkarte veröffentlicht hatte, auf der sein Arbeitgeber erkennbar war. Das Medienunternehmen berief sich auf das Medienprivileg und beantragte die Zurückweisung der Beschwerde. Die Datenschutzbehörde gab diesem Antrag statt und erklärte sich für unzuständig, weil die Daten des Beschwerdeführers im Rahmen journalistischer Artikel bzw. journalistischer Berichterstattung verarbeitet worden waren.

Im zweiten Fall beschwerten sich mehrere Personen bei der Datenschutzbehörde gegen die Berichterstattung eines Verlages und eines Rundfunkunternehmens über ein Datenleck (leak) im E-Mail-Postfach der Betroffenen. Auch in diesem Fall entschied die Datenschutzbehörde, sie sei aufgrund des Medienprivilegs nicht zuständig.

In beiden Fällen erhoben die Betroffenen Beschwerden an das BVwG, das daraufhin die Aufhebung des § 9 DSG beim VfGH beantragte.

Welche journalistischen Tätigkeiten sind vom Medienprivileg erfasst?
Der Begriff der journalistischen Tätigkeit im Sinne der DSGVO ist zwar nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes weit auszulegen, wobei auch journalistische Tätigkeiten, die nicht auf Gewinn ausgerichtet sind, unter diesen Begriff fallen. Die „journalistische Tätigkeit“ im Sinne des Medienprivilegs nach § 9 DSG betrifft aber nur Medienunternehmen und ihre Beschäftigten.

Dieser Unterschied ist deshalb wichtig, weil in medienrechtlichen Angelegenheiten grundsätzlich die ordentlichen Gerichte zuständig sind. Da das Datenschutzrecht mitsamt dem Medienprivileg aber später in Kraft getreten ist, war bisher strittig, ob die Datenschutzbehörde in Datenschutzangelegenheiten mit Medienbezug entscheiden darf oder ob das den ordentlichen Gerichten vorbehalten ist. Dazu hat der OGH zwar entschieden, dass die ordentlichen Gerichte grundsätzlich über Unterlassungsansprüche unmittelbar auf Grundlage des § 1 Abs 1 DSG 2000 entscheiden dürfen. Eine eindeutige Klarstellung hinsichtlich der Zuständigkeit hat er aber bislang nicht vorgenommen. Daraus ergibt sich derzeit eine gewisse Unsicherheit, wenn Betroffene Rechtsschutz bei möglichen Datenschutzverletzungen durch Medienunternehmen suchen.

Warum das Medienprivileg gegen den Datenschutz verstößt
Nach § 1 Abs 1 DSG hat „jedermann Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten“, soweit daran ein schutzwürdiges Interesse, „insbesondere im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens“, besteht. Gemäß Art 85 Abs 2 der DSGVO dürfen die Mitgliedsstaaten Abweichungen und Ausnahmen vom Grundrecht auf Datenschutz vorsehen, soweit diese im Interesse der Meinungsfreiheit und der Informationsfreiheit erforderlich sind.

Im Hinblick auf die Medienfreiheit anerkannte der VfGH die Rolle der Medien, die in einer demokratischen Gesellschaft als “public watchdog” eine zentrale Rolle wahrnehmen, und verwies dazu auf die Rechtsprechung des EGMR. Es würde jede journalistische Tätigkeit in unverhältnismäßiger Weise behindern oder sogar verunmöglichen, wenn man sämtliche datenschutzrechtliche Bestimmungen auf Datenverarbeitungen zu journalistischen Zwecken durch Medienunternehmen und Mediendienste uneingeschränkt anwenden würde.

Auf der anderen Seite steht der absolute Ausschluss des Datenschutzrechts bei Datenverarbeitungen zu journalistischen Zwecken den Vorgaben der DSGVO entgegen, wonach der nationale Gesetzgeber das Interesse am Schutz personenbezogener Daten mit dem Interesse der journalistisch tätigen Medienunternehmen sachgerecht abzuwägen hat.

Wenn das Medienprivileg also das Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit gegenüber dem Grundrecht auf Datenschutz kategorisch bevorzugt, widerspricht diese Regelung dem Grundrecht auf Datenschutz nach § 1 DSG und der Rechtsprechung des VfGH.

Praktische Konsequenzen der Entscheidung
Die Aufhebung des Medienprivilegs tritt erst mit Ablauf des 30. Juni 2024 in Kraft. Bis dahin hat der Gesetzgeber Zeit, eine ausgewogenere Novelle zu schaffen, die Datenschutzinteressen gegenüber der Medienfreiheit ausgewogen berücksichtigt. Er steht dabei vor einer anspruchsvollen, aber lösbaren Aufgabe.

Das Medienprivileg ist seit Jahren umstritten. Mit seiner Aufhebung ist der VfGH einer schon lange und häufig erhobenen Forderung nachgekommen. Bemerkenswert ist dabei, dass die Initiative für das Gesetzesprüfungsverfahren vom BVwG ausging, das in Bezug auf die Folgen des Medienprivilegs eine von der Rechtsprechung des OGH abweichende Ansicht vertreten hat.

Die Neuregelung des Datenschutzes in Bezug auf Medienunternehmen darf keinesfalls zu einer Zensur im Journalismus führen. Sie könnte aber eine künftige Berichterstattung im Einzelfall mehr als bisher einschränken. Die Frage, ob ein Medienbericht Datenschutzinteressen verletzt, ist nicht immer einfach zu beantworten. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Beschäftigte von Medienunternehmen diese Beurteilung in allen Fällen vornehmen können.

Sinnvoll wäre daher eine Regelung, die den Medienunternehmen diese Abwägung anhand bestimmter Kriterien so einfach wie möglich macht. Der Gesetzgeber sollte außerdem den Zugang Betroffener zu Behörden verbessern und die derzeit bestehende Rechtsschutzlücke schließen. Wie auch immer die Neuregelung im Detail ausgestaltet sein wird, ist schon jetzt eines sicher: Medienunternehmen werden sich weiterhin intensiv mit Datenschutz beschäftigen müssen.

24.1.2023, Autor:innen: Monika Sturm und Maximilian Benke, Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH, www.fwp.at